Der Weg nach Europa führt über den Maidan
3. Dezember 2013Nach den Massendemonstrationen hunderttausender EU-Befürworter auf dem Maidan, dem Unabhängigkeitsplatz in Kiew, hat Präsident Viktor Janukowitsch betont, er werde alles in seiner Macht Stehende tun, um eine Annäherung seines Landes an die Europäische Union voranzutreiben. Auch Regierungschef Mykola Asarow versichert, die Entscheidung, das EU-Assoziierungsabkommen vorerst nicht zu unterzeichnen, bedeute nicht das Ende der europäischen Integration. Man nehme nur eine Pause, nach der man mit der EU ein Assoziierungsabkommen unterzeichnen werde.
Doch die Demonstranten glauben der Führung in Kiew nicht. Sie sind über die Entscheidung empört. Ebenso wie die Opposition, die die Proteste anführt, fordern sie nun nicht nur eine Annäherung an Europa, sondern zudem die Absetzung der Führung des Landes.
Kiew fordert mehr Unterstützung
Wolodymyr Olijnyk von der regierenden Partei der Regionen rechtfertigt die Pause in der europäischen Integration gegenüber der Deutschen Welle: "Es wäre eine Kapitulation für die Ukraine gewesen, hätten wir das Assoziierungsabkommen in seiner jetzigen Form unterzeichnet", so der Abgeordnete. Man werde sich der Unterzeichnung des Abkommens im Frühjahr wieder annehmen. Dann müsste die Ukraine aber mehr Unterstützung von der EU erhalten.
Präsident Janukowitsch betont, um sich auf die europäischen Märkte umzuorientieren, brauche sein Land einen Stabilisierungsfonds. Die Ukraine benötige bis zum Jahr 2017 Finanz- und Wirtschaftshilfen in Höhe von bis zu 160 Milliarden Euro.
Zu diesem Zweck wird nach Worten des ersten stellvertretenden Ministerpräsidenten der Ukraine, Serhij Arbusow, seine Regierung der EU eine gemeinsame Arbeitskommission vorschlagen. Diese solle einen Fahrplan für die Unterzeichnung des Assoziierungsabkommens erarbeiten. "Wir wissen, was zu tun ist. Wir werden auf alle Fragen eine Antwort geben", versicherte Arbusow gegenüber Vertretern der Opposition.
Keine Europa-Perspektive mit Janukowitsch
Doch der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der oppositionellen Vaterlandspartei, Serhij Sobolew, glaubt, dass nur ein neuer ukrainischer Präsident die Verhandlungen mit der EU fortsetzen und ein Assoziierungsabkommen unterzeichnen werde. "Der jetzige Präsident wird das Land niemals auf den europäischen Weg führen", sagte Sobolew der DW.
Auch der Leiter des Kiewer Instituts für Euro-Atlantische Zusammenarbeit, Oleksandr Suschko, teilt nicht den Optimismus der ukrainischen Regierung. Er hält die Idee Kiews für "exotisch", Russland zu den Beratungen mit der EU hinzuzuziehen. "Für diesen Vorschlag haben europäische Politiker und Experten kein Verständnis", glaubt Suschko.
Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel hat zugesagt, mit der Führung Russlands über die Ukraine sprechen zu wollen. Sie hatte aber zugleich deutlich gemacht: "Letztlich hängt es an der Ukraine, ob sie den Mut hat, noch einen Schritt auf Europa zuzugehen, und dann wird die Europäische Union auch ein verlässlicher Partner sein."
Eine weitere Eskalation ist möglich
Der Kiewer Professor für Politikwissenschaft Oleksij Haran spricht von einer faktischen Abkehr vom Kurs der europäischen Integration durch die jetzige ukrainische Führung. Dies habe für Empörung unter den Menschen gesorgt. Die gewaltsame Auflösung der Protestaktion von friedlichen Studenten am 30. November auf dem Maidan habe dann die größten Demonstrationen seit der Orangenen Revolution 2004 ausgelöst.
Angesicht der anhaltenden Proteste sieht Haran die Politik am Scheideweg: "Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder verhandelt die Regierung und macht Zugeständnisse an die Opposition in der Frage der EU-Annäherung, oder Präsident Janukowitsch wird die Protestaktion auf dem Maidan gewaltsam auflösen. Dann gerät die Ukraine in internationale Isolation und fällt in die Einflusszone Russlands."