Deutsche in Cannes
22. Mai 2009"Inglourious Basterds", der neue Film von Quentin Tarantino, wurde in Cannes mit größter Spannung erwartet. Nur Lars von Trier mit seinem Wettbewerbsbeitrag "Antichrist" konnte da im Vorfeld des Festivals mithalten. Das düstere Werk des Dänen beherrscht auch Tage nach seiner Uraufführung die Diskussionen. Wie Tarantino hat auch von Trier seinen Film in Deutschland gedreht. Dessen Weltkriegsfabel "Inglourious Basterds" entstand in den Filmstudios von Babelsberg sowie in Sachsen, vor allem mit deutschen oder deutschsprachigen Schauspielern. Unter anderem sind an der Seite von Hollywood-Superstar Brad Pitt mit dabei: Daniel Brühl, Til Schweiger, Christoph Waltz, Diane Krüger, Martin Wuttke und Sylvester Groth.
Fiktives Geschichtsmärchen
Auch die Finanzierung der knapp 50 Millionen Euro teuren Hollywood-Produktion kam mit Unterstützung deutscher Filmfördertöpfe zustande. Und das Thema hat natürlich viel mit deutscher Geschichte zu tun. Tarantino verzahnt zwei Handlungsstränge miteinander. Zum einen erzählt er die Geschichte eines Trupps von Widerständlern, die - im wahrsten Sinne des Wortes - den Auftrag haben möglichst viele Skalps von Nazis zu erobern. Zum anderen zeichnet der amerikanische Kult-Regisseur ein geplantes Attentat auf Hitler und seine engste Führung nach. Alles ist fiktiv, Tarantino hat sich bei seinem Geschichtsmärchen mehr an der Kinogeschichte als an realer Historie orientiert.
Grandiose Darstellerleistungen
"Inglourious Basterds" wurde nach der Uraufführung in Cannes von der deutschen Presse recht wohlwollend, wenn auch nicht begeistert besprochen. Die "Süddeutsche Zeitung" lobt vor allem die Darsteller, die Regie und den Verzicht auf allzuviel Brutalität. "Die Welt" hebt hervor, dass hier ein großer Hollywood-Film doch tatsächlich zu weiten Teilen in einer fremden Sprache gedreht wurde - nämlich in Deutsch. Positiv für den "Welt"-Kritiker auch die sorgfältige Übersetzung des amerikanischen Drehbuchs, wofür niemand geringeres als Tom Tykwer verpflichtet wurde. Und die Rezensentin der "Frankfurter Allgemeine Zeitung" schließlich rühmt den Sprachwitz des Films, bemängelt hingegen die Dramaturgie des überlangen Streifens. In einem sind sich alle Blätter einig: Christoph Waltz´ Darstellung eines SS-Hauptmanns wird als herausragende Leistung des Films gelobt und schon für eine Palme gehandelt.
Deutscher Beitrag in Cannes
Der Wettbewerbsbeitrag von Michael Haneke, "Das weiße Band", wurde in Cannes dagegen mit Zurückhaltung aufgenommen. Michael Haneke ist Österreicher, sein Film läuft an der Croisette als deutsche Co-Produktion. Die Berliner Firma "X-Filme" hat produziert, das Darstellerensemble kommt aus Deutschland, gedreht wurde im Norden des Landes, auch im "Weißen Band" geht es um deutsche Historie. Haneke schildert in strengen schwarz-weiß-Bildern das Leben in einem kleinen Dorf kurz vor dem 1. Weltkrieg.
Ursachen für Gewalt und Faschismus
Im Mittelpunkt der Handlung: ein Lehrer, ein Pastor, ein Gutsherr, ein Arzt, sie alle bemühen sich um die Erziehung der Kinder im Ort. Vor allem mit strengen Idealen von Zucht und Ordnung im Sinne der damaligen Zeit. Hanekes Aussage, die er allerdings nicht nur auf die von ihm gezeigte Epoche verstanden wissen will: die Gewalt, die später ausbricht, hatte konkrete Ursachen. Das Thema sei nicht gerade neu, bemängelt der Kritiker der "Welt", dem Film fehle auch die sonst bei Haneke so typische "hypnotische" Kraft. Ähnlich fielen auch die Urteile der andere deutschen Gazetten aus. Wenn es also nach diesen ginge, kein Favorit für eine Goldene Palme. Doch Jurys - das ist eine alte Festivalweisheit - entscheiden immer anders als die Kritiker.
Autor: Jochen Kürten
Redaktion: Gudrun Stegen