Deutschlands Ringen um Sitz und Stimme
24. September 2004
"Wie Brasilien, Indien und Japan ist auch Deutschland bereit, die Verantwortung zu übernehmen, die mit einem ständigen Sitz im Sicherheitsrat verbunden ist", sagte der deutsche Außenminister Joschka Fischer vor der UN-Generalversammlung am Donnerstag (24.9.04) in New York.
Der Rat müsse die geopolitischen Umbrüche wie den Übergang von Kolonien zu unabhängigen Staaten, das Ende des Kalten Krieges und die Globalisierung angemessen widerspiegeln und die mittlerweile 191 UN-Mitgliedsstaaten ausgewogener repräsentieren, sagte Fischer.
Dem Weltsicherheitsrat gehören derzeit als ständige Mitglieder bisher die fünf Siegermächte des Zweiten Weltkrieges - die USA, Russland, Frankreich, Großbritannien und China - sowie zehn temporäre Mitglieder an, die im Zwei-Jahres-Rhythmus wechseln und kein Vetorecht haben.
Bei der Reform des Sicherheitsrates "sollten die Mitglieder berücksichtigt werden, die einen besonders bedeutenden und nachhaltigen Beitrag zur Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit sowie zur Verwirklichung der Ziele der Organisation leisten können und wollen", sagte Fischer. Deutschland sei ein solches Land, das "zu einer starken Rolle für die internationale Stabilität" befähigt sei. Mit der anvisierten Reform würden Effizienz, Handlungs- und Durchsetzungsfähigkeit des Rats vergrößert.
Besonders wichtig sei auch, dass Afrika unter den neuen ständigen Mitgliedern sei. "Alle großen Regionen des Südens" müssten als ständige Mitglieder vertreten sein, so Fischer.
Großbritannien und Frankreich sind dafür
Die Bundesregierung kann bei ihren Bemühungen um eine UN-Reform mit der Unterstützung Großbritanniens und Frankreichs rechnen. Die Außenminister der beiden Vetomächte, Jack Straw und Michel Barnier, stellten sich noch am Donnerstag vor der UN-Vollversammlung in New York hinter den deutschen Wunsch nach mehr Einfluss in dem UN-Gremium.
Großbritannien werbe schon seit langem für eine Erweiterung des obersten UN-Gremiums auf etwa 24 Mitglieder, sagte Straw vor der UN-Vollversammlung. Er verwies darauf, dass Deutschland und Japan zusammen für 28 Prozent des UN-Haushalts aufkämen. Indien stehe für ein Sechstel der Weltbevölkerung, und Brasilien wäre beinahe bereits 1945 ständiges Ratsmitglied geworden.
Zuvor hatte bereits der französische Außenminister Michel Barnier die Unterstützung seines Landes für die Bestrebungen der Vierer-Gruppe zum Ausdruck gebracht.
Italien ist dagegen
Die italienische Regierung sprach sich erneut entschieden gegen eine ständige Ratsmitgliedschaft Deutschlands aus. Die Probleme des Sicherheitsrats könnten nicht dadurch gelöst werden, dass neue permanente Mitglieder aufgenommen würden, sagte der italienische Außenminister Franco Frattini vor der UN-Vollversammlung. Das beste Reformmodell sei die Erweiterung des Rats lediglich um weitere nicht-ständige Mittglieder. Dadurch werde mehr Effektivität, demokratische Teilhabe und bessere geographische Repräsentativität des Gremiums erreicht.
Reform ja, aber bis wann?
Joschka Fischer appellierte außerdem an die UN-Mitgliedstaaten, bis zur Eröffnung der nächsten Vollversammlung im September 2005 die überfälligen Reformen in die Wege zu leiten und zu greifbaren Ergebnissen zu kommen. "Wenn wir wirklich wollen, dass die Entscheidungen des Rates als legitim akzeptiert und effektiv umgesetzt werden, dann müssen wir ihn reformieren."
Gerade die Irak-Kontroversen hätten das Legitimitätsproblem des Gremiums "nochmals deutlich gemacht". Eine Verbreiterung des Sicherheitsrats werde die Legitimität des Gremiums stärken und damit der Weltorganisation insgesamt mehr Autorität beim Bemühen um effektive und friedliche Lösungen globaler Probleme geben. Die UN würden dadurch auch in Regionen stärker akzeptiert, die bislang nicht im Sicherheitsrat vertreten sind.
Eine von UN-Generalsekretär Kofi Annan eingesetzte Reformkommission soll im Dezember Empfehlungen für eine Erweiterung des Rates vorlegen. Annan will auf dieser Grundlage ein eigenes Konzept erarbeiten, das er der Vollversammlung im September 2005 vorlegen will. Für eine Erweiterung des Sicherheitsrats wird eine Zweidrittelmehrheit unter den Mitgliedstaaten gebraucht. Sie müsste dann noch in den Mitgliedstaaten ratifiziert werden, was mehrere Jahre in Anspruch nehmen würde. (kas)