Die Anti-Terrordatei der europäischen EUROPOL
24. August 2006In der Den Haager Zentrale der europäischen Polizeibehörde EUROPOL stehen Computer, auf deren Festplatten die EU-Mitgliedstaaten Namen, Indizien und Kontakte von Verdächtigen oder Zeugen speichern. Verschiedene Datenbanken erfassen nicht nur Informationen zu Terroristen, sondern auch zum organisierte Verbrechen, Drogenschmuggel oder Menschenhandel. Bis zu einer Million Datensätze kann das Computersystem TECS vergleichen und analysieren.
Die Daten werden unmittelbar von den 25 EU-Mitgliedsstaaten ins System eingegeben. Jedes Land ist mit einem eigenen Verbindungs-Beamten in Den Haag vertreten, den so genannten ELOS. Nur diese Beamten haben in der Regel Zugriff auf die nationalen Datenbanken.
Informationen für die einzelnen Mitgliedsstaaten
Wenn ein Mitgliedsland abfragen möchte, ob aus einem EU-Staat Daten über einen Terrorverdächtigen vorliegen, wird EUROPOL tätig und schnürt Informations-Pakete. Der Ausbau dieser Dienstleistung hat für den Direktor von EUROPOL Max-Peter Ratzel Vorrang: "Wir müssen alles tun, um Gefahren möglichst frühzeitig zu erkennen und zu vermeiden, so dass wir den Mitgliedsstaaten die Mittel geben können, um Gefahren abzuwehren. Da genügen meist wenige Leute, um die richtigen Informationen herauszufiltern. Die Umsetzung der Maßnahmen erfolgt dann in den Mitgliedsstaaten."
EUROPOL hat keine hoheitlichen oder operativen Fähigkeiten, kann also nicht selber Polizeibeamte losschicken. Datenschützer kritisieren jedoch, dass die EU-Mitgliedsstaaten das TECS-Computersystem relativ unkontrolliert mit Daten füttern können, welche dann zu Profilen verdichtet werden. TECS speichert die Daten für mindestens drei Jahre.
Die europäische Polizeibehörde mit Sitz in den Niederlanden startete Mitte der 1990er Jahre als Agentur, um Drogenkriminalität zu bekämpfen. Nach und nach ist daraus eine Behörde mit 500 Mitarbeitern geworden, die vor allem den Informationsaustausch organisieren.
Grenzüberschreitende Polizeiarbeit nur teilweise geregelt
Neben den Datenbanken bei EUROPOL existiert zur Terrorabwehr ein Computer-Netzwerk der fünf größten EU-Staaten: Frankreich, Großbritannien, Italien, Spanien und Deutschland. Diese fünf Staaten schlossen 2004 ein entsprechendes Abkommen. Sieben EU-Staaten - Frankreich, Spanien, Niederlande, Belgien, Luxemburg, Österreich und Deutschland - vereinbarten außerdem 2005 in Prüm eine bessere grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Polizei bei Festnahmen, Durchsuchungen und der Verfolgung von Verdächtigen.
Die grenzüberschreitende Polizeiarbeit ist EU-weit nicht umfassend geregelt, viele Mitgliedsstaaten haben prinzipielle Bedenken. Der EU-Kommissar für Justiz und Inneres Franco Frattini drängt darauf, die Kooperation der Mitgliedsstaaten weiter zu verstärken. Angesichts der aktuellen Bedrohung sieht er gute Chancen: "Jetzt gibt es, glaube ich, einen Konsens unter den Mitgliedsstaaten, dass es wichtig ist, wirklich zusammenzuarbeiten. Wir müssen am Ball bleiben."
EU will weiterreichende Gesetze
Die von den EU-Innenministern beschlossene Speicherung von Telefon- und Internetdaten ist nach der Einführung des europäischen Haftbefehls ein nötiger Schritt, findet Franco Frattini. Der EU-Kommissar bereitet bereits neue Gesetzesinitiativen vor. Bis zum Ende des Jahres sollen Vorschläge auf dem Tisch liegen, mit denen die EU-Länder die europäische Infrastruktur vor Terroranschlägen gemeinsam schützen können. Die EU möchte die Herstellung und den Handel mit Sprengstoffen stärker beaufsichtigen. Sie untersucht, warum und wodurch sich Jugendliche islamischen Glaubens in Europa radikalisieren lassen. Und sie möchte Projekte zur Hilfe für Terroropfer finanziell unterstützen.
Der Justizkommissar betont, dass bürgerliche Freiheiten nicht auf dem Altar der Terrorabwehr geopfert werden dürfen. Die USA seien mit ihren umfassenden Einschränkungen des Fernmeldegeheimnisses kein Vorbild für die EU. Man müsse die richtige Balance finden, so Franco Frattini: "Dies ist unsere politische Herausforderung. Wenn die Terroristen erreichen, dass wir unsere Freiheiten beschränken, hätten die Terroristen gewonnen. Wir dürfen das niemals zulassen."
Debatte um das nationale Vetorecht bei Justizfragen
Obwohl bei der Zusammenarbeit der Polizeibehörden und der Geheimdienste auf europäischer Ebene schon viel erreicht sei, gehe es doch in einigen Bereichen nur langsamen voran. Das bemängelt der EU-Beauftragte für die Terrorbekämpfung Gijs de Vries. Er hofft darauf, dass die EU-Innenminister ihre Vorbehalte gegen Mehrheitsentscheidungen auf europäischer Ebene irgendwann aufgeben. EU-Kommissionspräsident José Barroso hatte im Mai einen entsprechenden Vorschlag gemacht. Nicht nur Innenminister Wolfgang Schäuble ist skeptisch, wenn es darum geht, auf das nationale Veto bei Justizfragen zu verzichten. Erst einmal, so Schäubles Credo, sollte die EU bereits existierende Instrumente, wie zum Beispiel EUROPOL, voll ausnutzen. Nur falls diese nicht ausreichten, könnte die EU darüber nachdenken, neue zu schaffen.