Religion im Film
13. Februar 2014Das Spektrum religiös munitionierter Filme ist breit. Es reicht von solchen, die traditionelle spirituelle Traditionen nachzeichnen bis zur Dokumentation etwa der Verwerfungen innerhalb der muslimischen Protestierer vom Tahrir-Platz in Kairo. Auf der Leinwand kann man der behutsamen Gehmeditation eines buddhistischen Mönches durch Marseille folgen. Und selbst über die Verbindung von schamanischer Tradition mit Hochöfen und Schiffswerften in Korea läßt es sich im Kinosessel trefflich meditieren.
Viele Regisseure reiben sich an religiösen Institutionen. Wer könnte mächtiger sein als die katholische Kirche, zumal in Irland? Und doch: der irische Film "Calvary" von John Michael McDonagh setzt eine Kirche in Szene, die bis ins Mark erschüttert ist von Missbrauchsskandalen. "Die Zeit der Priester ist vorbei", sagt der Regisseur. Trotzdem zeigt er einen Priester, einen guten Priester sogar: Pater Jack macht alles richtig. Er ist integer und kennt die Sorgen der Menschen. Er war schließlich selbst einmal verheiratet. Erst nach dem Tod seiner Frau ist er zum Priester geworden. Eines Sonntags hört er statt einer Beichte die Drohung: "Ich werde dich töten!" Der Unbekannte ist als Kind missbraucht worden. Jetzt will er sich rächen. Da sein Peiniger inzwischen verstorben ist, soll Pater Jack büßen. Der muss sich in der Woche, die ihm noch bleibt, der Frage stellen: will er für diese Institution sterben? "Calvary" ist Religionskritik mit den Stilmitteln eines Krimis, vielleicht noch des Westerns.
Maria auf dem selbstgewählten Kreuzweg
Inhaltlich verwandt, formal freilich völlig anders nähert sich der deutsche Wettbewerbsfilm "Kreuzweg" der religiösen Institution. "Kreuzweg" spielt in drastischer Konsequenz die klassischen Kreuzwegstationen durch: 14 Schritte, den Weg Jesu zum Kreuz zu bedenken. Station für Station entwirft Regisseur Dietrich Brüggemann mit jeweils einer einzigen festen Einstellung ein filmisches Andachtsbild. Statt Jesus steht allerdings die 14jährige Maria im Zentrum. Maria wird in einer strengkatholischen Familie groß, die einer besonders traditionellen Form des Katholizismus folgt.
Vorbild dafür sind die Lehren der Piusbruderschaft, die vor fünf Jahren durch die antisemitischen Ausfälle ihres inzwischen ausgeschlossenen Bischofs Richard Williamson einer breiteren Öffentlichkeit bekannt wurde. Maria möchte das Leben einer Heiligen führen, so wie sie es im Firmunterricht lernt. Sie würde sogar ihr Leben opfern, wenn dafür nur der kranke Bruder geheilt würde. Aber da Maria eben auch eine ganz normale Jugendliche ist, sucht sie nicht nur nach ihrem Platz im Glauben, sondern auch nach dem in der Welt. Das kann nur im Konflikt enden. Regisseur Dietrich Brüggemann hat gemeinsam mit seiner Schwester Anna auch das Drehbuch geschrieben. "Es ging uns nicht darum, einen antireligiösen Film zu machen", betonen beide. Jeder könne gerne religiöse Überzeugungen haben, die nach außen unverständlich wirkten. "Aber wenn jemand Kinder hat und diesen Kindern diese Überzeugung aufdrückt, das ist einfach eine andere Sache."
Diese Auseinandersetzung mit den Hütern der religiösen Glaubenswahrheiten ist aber nicht auf die katholische Kirche beschränkt. Die eifrigsten Hüter der Lehren des Islam sitzen zur Zeit wohl in Teheran. Der Regisseur Mehran Tamadon wählt eine regelrecht subversive Filmsprache: er lädt vier strengkonservative Geistliche zur Debatte in sein Landhaus ein. Da sitzen dann vier bärtige Männer in langen Gewändern einem freundlichen Herrn mit Halbglatze und Batikhemd gegenüber und diskutieren. Sprechen über Musik, Bücher, immer wieder über die Rolle der Frau und vor allem über das Thema, für das der Regisseur brennt: die Frage nämlich, ob es auch in einer islamischen Gesellschaft einen Platz für einen Atheisten wie ihn gibt. Diese Debatte kann Mehran Tamadon eigentlich nur verlieren. Aber dass der Film überhaupt zustande gekommen ist, sieht er schon als Gewinn. "Mir geht es nicht darum, dass ich sie ändere", sagt Tamadon. "Mir geht es darum, dass unterschiedliche Menschen mit unterschiedlichen Meinungen im selben Bild sind."
Kamerafahrt in Bärte und Gedanken
Denn der Dialog, den die Kamera festgehalten hat, kann nicht einmal die strengste Geistlichkeit hinterher wieder ableugnen. Und für die Zuschauer bietet der Film "Iranian" eine einmalige, wenn auch anstrengende Gelegenheit: nämlich konservativ-islamischen Geistlichen jenseits von demagogischen Auftritten nahezukommen, ihren Gedanken wie ihren Bärten. Die Kamera macht es möglich. Regisseur Mehran Tamadon, der seit langem in Frankreicht lebt, hat für seinen Film einen hohen Preis bezahlt: er darf seitdem nicht mehr in den Iran einreisen.