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Nachsitzen in Berlin

Jeanette Seiffert22. Oktober 2013

Der neu gewählte Bundestag trat erstmals zusammen, obwohl es bis zur Regierungsbildung noch einige Zeit dauern dürfte. Solange bleibt das alte Kabinett im Amt. Doch was darf es noch?

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Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU - r) spricht am 02.09.2013 im Bundestag in Berlin. Die Regierungsbank ist fast komplett besetzt. Der Bundestag berät über Berichte der Untersuchungsausschüsse zu NSU und "Euro-Hawk". Dem «Nationalsozialistischen Untergrund» (NSU) werden zehn Morde zwischen 2000 und 2007 zur Last gelegt - neun davon an türkisch- und griechischstämmigen Migranten. Foto: Hannibal/dpa
Bild: picture-alliance/dpa

Spätestens 30 Tage nach einer Bundestagswahl muss das neue Parlament zusammentreten, so steht es im Grundgesetz, der deutschen Verfassung. Am Dienstag (22.10.2013) war es soweit. Als der neue Bundestag zu seiner sogenannten konstituierenden Sitzung zusammentrat, endete auch die Amtszeit der bisherigen "schwarz-gelben" Regierung aus CDU, CSU und FDP. Bis eine neue Koalition - voraussichtlich aus CDU/CSU und SPD - geschmiedet ist, könnten aber noch etliche Wochen vergehen.

Das heißt aber nicht, dass Deutschland nun führungslos ist: "Im Prinzip passiert erst mal gar nichts", sagt Timo Grunden, Politikwissenschaftler an der Universität Gießen. Denn das Grundgesetz sieht für diesen Fall klare Regeln vor: Gibt es keine neue Regierung, führt die alte die Geschäfte so lange weiter, bis eine neue gefunden ist.

Angela Merkel muss weitermachen

Bundeskanzlerin Merkel freut sich (Foto: Getty Images)
Merkel hat gut lachen: Sie bleibt KanzlerinBild: Getty Images

Bundeskanzlerin Angela Merkel und die Minister sind sogar verpflichtet, ihr Amt fortzuführen. In der Zwischenzeit hat Bundespräsident Joachim Gauck eine wichtige Rolle: Er muss dazu beitragen, dass eine neue handlungsfähige Regierung zustande kommt, indem er zwischen den Parteien vermittelt. Gelingt das nicht, kann er eine Minderheits-regierung ein- oder Neuwahlen ansetzen.

Zunächst läuft aber alles so weiter wie bisher. Denn die geschäftsführende Regierung hat die gleichen Rechte und Pflichten wie eine reguläre Regierung. Das heißt, sie vertritt zum Beispiel die Bundesrepublik im Ausland und kann auch neue Verordnungen beschließen. Wirklich demokratisch sei das aber nicht, meint Politikwissenschaftler Timo Grunden: "Sie hat eben kein demokratisches Mandat durch den neu gewählten Bundestag. Und dadurch fehlt ihr zwar nicht die Legalität, aber eben die demokratische Legitimation."

Kritische Entscheidungen vertagen

Minister der Regierung Merkel auf der Regierungsbank im Bundestag (Foto: dpa)
Regierung Merkel: Das alte Kabinett muss erst einmal weiterarbeitenBild: picture-alliance/dpa

Allerdings wird von einer Übergangsregierung ohnehin erwartet, dass sie sich in wichtigen politischen Fragen zurückhält und keine Entscheidungen trifft, die eine neue Regierung vielleicht anders treffen würde. "Im Zweifel wird man keine umstrittenen Initiativen starten, weil man ja gar nicht weiß, ob man überhaupt die Mehrheit im Bundestag hat. Im Zweifel würde der Bundestag die Regierung in die Schranken weisen."

Viele sehen es deshalb kritisch, dass Angela Merkel in ihren letzten Tagen als Chefin der alten Regierung auf EU-Ebene so vorgeprescht ist: Die Kanzlerin setzte durch, dass die geplanten strengeren Grenzen für Autoabgase in der Europäischen Union vorerst nicht in Kraft treten. Timo Grunden sieht das aber nicht als problematisch an: Es sei die Pflicht und auch das Recht der Kanzlerin, die deutschen Interessen weiterhin international zu vertreten. "Und ich bin mir sicher, dass jede deutsche Regierung, auch eine sozialdemokratisch geführte, in Brüssel einen solchen Druck ausgeübt hätte."

Für Krisen nicht gemacht

In der Übergangsphase zwischen einer Bundestagswahl und der Bildung einer neuen Koalitionsregierung gab es immer mal wieder eine kurze Zeit, in der eine geschäftsführende Regierung im Amt war. Solange keine wichtigen Entscheidungen zu treffen sind, ist das nicht problematisch.

Kurz nach der Bundestagswahl 1998 drängte aber auf einmal die Zeit: Die Krise im Kosovo spitzte sich zu, die USA brachten ein militärisches Eingreifen ins Spiel. In Deutschland war die alte Regierung unter Helmut Kohl (CDU) zwar abgewählt worden, die neue rot-grüne unter Kanzler Gerhard Schröder (SPD) aber noch nicht im Amt. "Und da hat sich dann die damalige geschäftsführende Regierung Kohl mit der wahrscheinlichen neuen Regierung Schröder zusammengesetzt und beraten, wie man vorgehen soll", erinnert Timo Grunden.

ECR-Tornado Jagdbomber (Foto: dpa)
Kein Fall für eine Übergangsregierung: Kosovo-Einsatz der Bundeswehr 1999Bild: picture-alliance/dpa

Eine geschäftsführende Regierung könnte theoretisch unendlich lange im Amt bleiben: "Belgien beispielsweise hatte weit über ein Jahr lang nur eine geschäftsführende Regierung", sagt Grunden - weil die beiden größten belgischen Volksgruppen, die Flamen und die Wallonen, sich nicht auf eine Regierung einigen konnten. In Deutschland sei das aber nicht wahrscheinlich: "Im Zweifelsfall wird es eher Neuwahlen geben."