Die EU, die Banken und die Schulden
11. Juli 2017Geldhäuser in der EU schieben als Hinterlassenschaft aus der Finanzkrise und der nachfolgenden Wirtschafsflaute immer noch Problem-Darlehen im Volumen von fast einer Billion Euro vor sich her. Das dämpft ihre Fähigkeit zur Kreditvergabe und bremst Experten zufolge auch das Wirtschaftswachstum in der Ländergemeinschaft.
Dieser Berg soll so schnell wie möglich abgetragen werden. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble und seine Kollegen beschlossen dazu in Brüssel einen Aktionsplan, der unter anderem die Aufsicht stärken und Regeln für die Gründung sogenannter Bad Banks vereinheitlichen soll. "Man muss es vorsichtig machen, aber man muss es angehen", sagte Schäuble anschließend.
Schuldenberge so hoch wie die Alpen
Nach einer Studie des EU-Rats der Mitgliedstaaten belief sich das Volumen notleidender Kredite Ende 2016 auf rund 990 Milliarden Euro. Dies sind rund 6,7 Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung der EU. Damit stehen die Europäer deutlich schlechter da als andere Wirtschaftsschwergewichte: In den USA sind es 1,7 Prozent und in Japan 1,6 Prozent.
Am höchsten ist der Anteil fauler Kredite in der EU in den beiden während der Euro-Krise knapp am Staatsbankrott vorbeigeschrammten Staaten Griechenland (45,9 Prozent) und Zypern (44,8 Prozent). Dann folgen Portugal (19,5 Prozent) und Italien (15,3 Prozent).
Keine europäische Bad-Bank
Schäuble drang außerdem auf einheitlichere nationale Insolvenzregeln für kleinere Banken, die nicht unter die EU-Regeln für Großbanken fallen. Die jüngsten Rettungsaktionen in Spanien und Italien hätten gezeigt, dass es hier Unterschiede gebe, dringend nötig sei eine Harmonisierung. Schäuble lobte aber das Vorgehen Italiens in den jüngsten Krisenfällen.
Eine milliardenschwere Kapitalspritze Italiens hatte zuletzt die Traditionsbank Monte dei Paschi di Siena gestützt, die ebenfalls unter hohen Beständen fauler Kredite leidet.
Pläne zur Errichtung einer EU-weiten "Bad Bank", die faule Kredite erwirbt und dann an Investoren weiterverkauft, sind dagegen erstmals vom Tisch. Stattdessen verständigten sich die Minister bereits auf eine Blaupause für die Schaffung nationaler Verwertungsgesellschaften (AMC) für solche Darlehen. Diese können dann auch in nationale "Bad Banks" umgewandelt werden, die Problemdarlehen zu Preisen aufkauft, die für die Institute vorteilhafter sind. Dabei müssen laut EU-Vertretern dann aber strikte Vorgaben für Staatshilfen eingehalten werden.
Die Finanztransaktionssteuer kommt erst einmal nicht
Die europäische Finanztransaktionssteuer ist vorerst aufgeschoben. Schäuble bestätigte, dass Frankreich darum gebeten hat, zunächst abzuwarten und die Folgen des EU-Austritts Großbritanniens genauer abzuschätzen. Deutschland stehe weiter zur Einführung der Steuer, betonte der CDU-Politiker. "Wir tun alles, damit sie zustande kommt, das bleibt auch so." Aber es handele sich um "eine verdammt schwierige Materie".
Über die Steuer auf Börsengeschäfte wird seit der Weltfinanzkrise intensiv diskutiert. Nachdem eine globale Einführung nicht gelang, wollten Deutschland und Frankreich die Steuer auf europäischer Ebene durchsetzen. 2014 einigten sich elf EU-Staaten darauf, 2016 damit zu starten. Doch Ende 2015 sprang Estland ab, und der Zeitplan geriet ins Wanken. Die übrigen zehn EU-Länder bemühen sich immer noch um ein gemeinsames Konzept.
Der SPD-Europapolitiker Udo Bullmann protestierte gegen die neue Verschiebung und beschuldigte Frankreich, vor der "Bankenlobby eingeknickt" zu sein. "Die Gerechtigkeitssteuer darf nicht auf die lange Bank geschoben werden", mahnte er in Brüssel. Die Abgabe soll einerseits Spekulation weniger attraktiv machen und so die Finanzmärkte stabilisieren, andererseits aber auch zusätzliche Einnahmen bringen. Vergangene Woche hatten 52 internationale Experten auf eine rasche Einführung gedrungen.
Personalspekulationen bremsen Reformwillen
Thema der Finanzminister war nach Schäubles Worten auch die Debatte über die Vertiefung und Reform der Eurozone. Veränderungen seien von großer Bedeutung, um die Wirtschafts- und Währungsunion zu stärken, sagte der CDU-Politiker. "Wir wollen alle, dass Europa handlungsfähig bleibt." Beschlüsse gab es noch nicht.
Der österreichische Ressortchef Hans Jörg Schelling positionierte sich aber eindeutig gegen den Vorschlag eines ständigen Vorsitzenden der Eurogruppe. Schelling sagte, die jetzige Lösung mit einem wechselnden Chef aus den Reihen der Eurofinanzminister sei gut. Die Frage nach eigenen Ambitionen auf den Posten nannte er Spekulation.
Der jetzige Vorsitzende, Jeroen Dijsselbloem, muss den Posten wohl räumen, weil er nach einer Wahlschlappe seiner Sozialdemokraten in den Niederlanden der nächsten Regierung nach derzeitigem Stand nicht angehören wird. Spätestens im Januar läuft sein jetziges Mandat aus.
dk/sti (dpa/afp/rtr)