Ohrfeige für USA und Deutschland
24. Oktober 2006Von Finnland an der Spitze bis Eritrea als Schlusslicht - seit 2002 stellt die Nichtregierungs-Organisation "Reporter ohne Grenzen" eine Rangliste aller Länder der Welt vor, geordnet nach dem jeweiligen Zustand der Pressefreiheit. Die Organisation berücksichtigt bei ihrer Bewertung alle relevanten Bedingungen für die Arbeit von Journalisten, physische Gewalt und Drohungen ebenso wie Zensurmaßnahmen und den rechtlichen Rahmen der Pressearbeit.
USA weit abgefallen
Während das schlechte Abschneiden von Ländern wie China und Russland nicht überrascht, hält der Bericht erstaunlich kritische Anmerkungen zur Pressefreiheit in westlichen Demokratien bereit. Dort hat der 11. September die Welt der Journalisten verändert. In von Terrorismus bedrohten Demokratien habe der Druck auf die Medien zugenommen, sagt Elke Schäfter von der Nicht-Regierungs-Organisation "Reporter ohne Grenzen". Regierungen wie die in Washington versuchten immer öfter, Journalisten zur Preisgabe von Informanten zu zwingen. Das sei ein klarer Verstoß gegen die Pressefreiheit: "Das halten wir nicht für legitim und auch nicht für angebracht, auch nicht für die USA."
In den USA komme hinzu, dass in 17 Bundesstaaten der Quellenschutz abgelehnt werde und Journalisten sich immer wieder rechtfertigen müssten, wenn sie ihre Quellen nicht preisgeben. Auch mit Beugehaft werde gedroht, sagt Schäfter - auch wenn die Recherchen nichts mit Terrorismus zu tun hätten. Es sei zum Beispiel ein Journalist verhaftet worden, weil er sich weigerte, Videoaufnahmen herauszugeben. Außerdem würden in Guantanamo und im Irak Journalisten festgehalten. "Also, das geht natürlich in diese Bewertung auch ein." Und deshalb sind die USA im Ranking von "Reporter ohne Grenzen" auch dieses Jahr weiter gefallen - inzwischen belegen sie nur noch Platz 53.
Gewalt in Dänemark
Aber es sind in den demokratischen Ländern nicht nur die Regierungen und Behörden, die Druck auf Journalisten ausüben und damit die Pressefreiheit gefährden, sondern auch gewaltbereite Bürger. Bestes Beispiel: Dänemark, das letztes Jahr noch auf Platz 1 der Liste stand, jetzt aber auf Rang 19 abgerutscht ist. Anlass war die Veröffentlichung der Mohammed-Karikaturen. Elke Schäfter: "Das hat bei Dänemark sehr stark zu Buche geschlagen, dass es sehr viele Drohungen und Angriffe gab nach der Veröffentlichung der Mohammed-Karikaturen, so dass Journalisten und Karikaturisten Polizeischutz beantragen mussten - und das in einem westlichen demokratischen Land, das ja für die Einhaltung der Bürgerrechte bekannt ist."
Fehltritte deutscher Behörden
Morddrohungen wegen der Veröffentlichung der Mohammed-Karikaturen gab es auch in Deutschland. Ebenso schwer wiegen für Elke Schäfter aber die Fehltritte staatlicher Behörden: "Dazu gehört die Überwachung durch den Geheimdienst, also durch den Bundesnachrichtendienst, der ja Journalisten bis Herbst letzten Jahres überwacht hat." Es gehöre auch das Informations-Freiheits-Gesetz dazu. Dieses sei zwar verabschiedet worden. Doch das Gesetz bleibe hinter den Erfordernissen von Journalisten zurück; ein freier Zugang zu Informationen sein unmöglich. "Also hier gibt es mehrere Beschwerden", klagt Schäfter. "Und so haben wir auch in Deutschland eine Reihe von Vorfällen gehabt, die wir notieren mussten und die sich natürlich in der Punktezahl niederschlägt."
Deutschland sinkt damit von Platz 18 auf Platz 23. Es mag sich mancher die Augen reiben: Vier Plätze vor Deutschland im Pressefreiheits-Ranking von "Reporter ohne Grenzen" liegt nun Bosnien-Herzegowina. Dort habe sich die Situation für Journalisten in den vergangenen Jahren kontinuierlich verbessert, sagt Elke Schäfter. Auch Bolivien sowie Trinidad und Tobago liegen beispielsweise noch vor Deutschland.
Schlusslicht Nordkorea
Unten auf der Rangliste von "Reporter ohne Grenzen" finden sich auf den Plätzen 163 bis 167 wie schon in den Jahren zuvor China, Myanmar, Kuba, Turkmenistan und Eritrea. Und schließlich das Schlusslicht auf Platz 168: Nordkorea. "Die Medien sind dort sehr stark kontrolliert", sagt Schäfter. "Jede kleine Abweichung auch ein kleiner Schreibfehler, kann schon dazu führen, dass man einer Gehirnwäsche unterzogen wird." Dann würden die Journalisten unterwiesen, wie man zu berichten habe und auf was man zu achten habe.