Ein "massives Problem mit Geldwäsche"
7. Juli 2021Seit ein paar Jahren geht Deutschland gezielter gegen Clan-Kriminelle vor. Immer wieder gibt es spektakuläre Razzien, bei denen villenartige Anwesen von deutsch-arabischen Großfamilien gestürmt und durchsucht werden. Die Immobilien, aber auch Luxus-Autos, Schmuck und andere Wertgegenstände, die vermutlich mit Geld aus Straftaten gekauft wurden, werden konfisziert und gehen in das Eigentum des Staates über.
2018 beschlagnahmte die Berliner Staatsanwaltschaft mehr als 75 Immobilien der Großfamilie Remmo. Zehn Millionen Euro sollen die Wohnungen und Häuser wert sein. Ein klassischer Fall von Geldwäsche, bei dem illegal erworbenes Geld, in diesem Fall aus Raubzügen und Drogenhandel, in legale Wirtschaftskreisläufe fließt.
Ermittelt wurde wegen anderer Straftaten
Allerdings gingen die Remmos den Ermittlern nicht wegen der Geldwäsche ins Netz. Der Verdacht ergab sich vielmehr im Rahmen eines ohnehin laufenden Strafverfahrens wegen anderer Delikte. "Dass dieser Fall von den Berliner Behörden bis heute als eine der größten Erfolgsmeldungen in der Geldwäschebekämpfung dargestellt wird, ist für mich ein Armutszeugnis", urteilt Christoph Trautvetter, wissenschaftlicher Referent des Netzwerks Steuergerechtigkeit.
Deutschland tue "viel zu wenig", um in größerem Maßstab den eigentlichen Hintermännern der organisierten Kriminalität auf die Spur zu kommen, "die mit Drogenhandel, Korruption, Steuerhinterziehung und anderen Straftaten in globalen Netzwerken professionell Geld waschen", sagt Trautvetter, der für die Antikorruptionsorganisation Transparency International eine Studie über Geldwäsche in Deutschland erarbeitet hat.
Hunderte Milliarden Geldflüsse
Wie viel Geld in Deutschland pro Jahr "gewaschen" wird, zu dieser Frage gibt es unterschiedliche Angaben. In einer Untersuchung, die das Bundesfinanzministerium 2016 in Auftrag gab, ist von rund 100 Milliarden Euro die Rede. Der Europäische Finanzhof beziffert die Summe, die in der EU mit Straftaten verdient wird, auf rund 250 Milliarden Euro.
Transparency geht davon aus, dass die tatsächlichen Geldflüsse noch viel höher sind, eine genau Zahl kann die Organisation aber nicht nennen. Das sei "schwer zu schätzen", sagt Trautvetter. "Weder der Umfang noch die Struktur der Geldwäsche ist ausreichend erforscht." Große Finanzskandale wie Wirecard, Panama Papers, Paradise Papers oder FinCen Files hätten in den letzten Jahren aber gezeigt, dass "hunderte Milliarden" illegaler Gelder zirkulierten.
Den Kriminellen wird es zu leicht gemacht
"Die Liste der Geldwäscheskandale der vergangenen Jahre mit Verbindungen nach Deutschland ist lang", heißt es in der Transparency-Studie. Deutschland habe ein massives Problem mit Geldwäsche und gehe nicht ausreichend dagegen vor. Ein massiver Vorwurf, den die Studie mit vier Punkten untermauert und dabei an erster Stelle ein mangelndes Problemverständnis bei den zuständigen Behörden und Politikern nennt.
Den Kriminellen werde es zu leicht gemacht, große Mengen Bargeld unerkannt auch ins Ausland zu transferieren oder über gewerbliche Güterhändler, Kunstvermittler oder Immobilienmakler in den Wirtschaftskreislauf zu schleusen.
Schwachstelle Banken
An dritter Stelle werden die "anonymen Finanzmärkte" genannt. "Obwohl es seit 20 Jahren die Vorschrift gibt, dass Banken ihre Kunden kennen müssen, haben sie tausende Leichen in ihren Beständen", so Trautvetter. Punkt vier sind die "viel zu geringen Ermittlungskapazitäten" in Deutschland. Unter anderem fehle es an einer spezialisierten Finanzpolizei.
"Es ist verrückt, dass jüngst in der Maskenaffäre Politiker auch nach 30 Jahren Geldwäschebekämpfung noch immer Gelder über anonyme Konten in Liechtenstein und Briefkästen in der Karibik erhalten haben", zählt Trautvetter aktuelle Missstände auf. "Und es kann nicht sein, dass die Eigentümer von ungefähr jeder zehnten Immobilie in Deutschland selbst für die Behörden unerkannt bleiben."
Studie nennt Lösungsvorschläge
Der Staat dürfe sich nicht länger allein auf die Bemühungen von zu Verdachtsmeldungen verpflichteten Berufsgruppen und Finanzinstituten verlassen, "sondern muss diese besser unterstützen, sensibilisieren, kontrollieren und bei Verstößen auch ausreichend sanktionieren", fordert Trautvetter.
Die Studie empfiehlt ein Transparenz- und Immobilienregister, "das seinen Namen verdient", aber auch eine bessere statistische Erfassung und gezielte Analyse von Geldflüssen, eine Stärkung der Geldwäscheaufsicht im Finanz- und Nicht-Finanzsektor, sowie zusätzliches Personal in spezialisierten Behörden und eine verstärkte Zusammenarbeit in der EU und international.
Deutschland wird ab Herbst geprüft
"Illegale internationale Geldflüsse dürfen in Deutschland keinen sicheren Hafen mehr finden", fordert Stephan Ohme, Finanzexperte von Transparency Deutschland, der sagt, dass die Bundesrepublik "anfällig" für Geldwäsche sei. "Mit dem derzeit unbefriedigenden Zustand befördert Deutschland ein weltweites Schattenfinanzsystem, in dem nicht zuletzt auch die Korruption blüht."
Transparency geht davon aus, dass die in ihrer Studie erhobenen Vorwürfe so oder so ähnlich auch der Financial Action Task Force auffallen werden, die Deutschland demnächst turnusmäßig prüfen wird. Die FATF wurde 1989 von den G7 ins Leben gerufen. Die internationale Organisation setzt weltweit Standards zur Bekämpfung von Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung und Finanzierung von Massenvernichtungswaffen (Proliferation) und achtet auf die rechtliche Umsetzung und effektive Anwendung durch die Mitgliedsstaaten.
Endlich Fortschritte machen
Bei der letzten Überprüfung 2010 habe Deutschland so viele Kriterien nicht erfüllt, dass eine Aufnahme auf die schwarze Liste gedroht habe, sagt Transparency-Finanzexperte Ohme. Er geht davon aus, dass die FATF Deutschland auch bei der jetzt anstehenden Prüfung ein "düsteres Zeugnis" ausstellen wird, weil das Land nach wie vor "anfällig" für Geldwäsche sei. Deutschland müsse die Überprüfung nun nutzen, "um endlich Fortschritte" zu erzielen.