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Dem Terror nicht das letzte Wort geben

Jan-Philipp Scholz12. April 2016

Vor einem Monat griffen Terroristen die ivorische Stadt Grand Bassam an und töteten 19 Menschen. Die Bewohner haben ihre eigenen Wege gefunden, mit dem Terror umzugehen. Jan-Philipp Scholz hat den Badeort besucht.

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Videostill: Musiker des Collectif Bassam am Strand von Grand Bassam, Elfenbeinküste (Foto: DW/Jan-Philipp Scholz)
Bild: DW/J.-P. Scholz

Film ab: Hunderte junge Frauen und Männer versammeln sich an einem paradiesischen Palmstrand. Unter der tropischen Sonne lachen, feiern und tanzen sie ausgelassen zu Rap-Gesängen. Was aussieht wie ein Werbefilm für ein Trendgetränk oder eine neue Eiscremesorte, ist in Wahrheit eine politische Botschaft. Der Ort, an dem die Menschen in dem Musikvideo das Leben feiern, war wenige Wochen zuvor Schauplatz eines grausamen Massakers. Mitglieder der Terrorgruppe "Al-Kaida im islamischen Maghreb" schossen hier wahllos auf Männer, Frauen und Kinder. 19 Urlauber und Hotelangestellte starben bei dem Angriff, dutzende wurden schwer verletzt.

Musik gegen die Angst

"Wir Künstler müssen uns endlich gegen den Terror erheben - nicht nur hier in der Elfenbeinküste, sondern überall in Afrika und auf der ganzen Welt", erklärt Paul Madys. Der bekannte ivorische Rapper hatte zusammen mit mehreren Musikerkollegen die Idee für die Aktion. Kurz nach den Anschlägen gründeten sie das "Collectif Bassam" und organisierten den Videodreh am Strand - alles auf eigene Rechnung. "Wir können doch nicht zulassen, dass uns diese Dschihadisten ihre Weltsicht aufzwingen. Gott hat uns erschaffen, um zu leben", so der Rapper.

Terror im Badeort - Grand Bassam einen Monat danach

Auch sein muslimischer Kollege Abou Nidal, der im Video zusammen mit Madys am Strand singt, war sofort von dem Projekt überzeugt. Was die Terroristen momentan überall auf der Welt anrichteten, sei ganz klar gegen die Regeln des Islam, erklärt der Musiker. "Man muss nur in den Koran schauen. Da steht, dass es verboten ist, einen Menschen zu töten, denn Gott hat das Leben der Menschen für heilig erklärt." Er und die anderen Musiker wenden sich in dem Musikvideo direkt an die Attentäter. "Ihr tötet unschuldige Menschen, so werdet Ihr ganz bestimmt nicht ins Paradies kommen", singen sie in die Kamera. "Ihr schafft es ja noch nicht einmal, uns Angst einzujagen."

Rapper Paul Madys, Elfenbeinküste (Foto: DW/Jan-Philipp Scholz)
Rapper Paul MadysBild: DW/J.-P. Scholz

Hotelbetten bleiben leer

Doch die Wirklichkeit in Grand Bassam sieht anders aus als der schöne Schein im Musikvideo: Verlassene Strandbars, leere Sonnenliegen, Straßenhändler, die verzweifelt nach Abnehmern für ihre Kokosnüsse und geschnitzten Elefanten Ausschau halten. Mit rund 35.000 Besuchern im vergangenen Jahr ist die Elfenbeinküste eines der wenigen Länder Westafrikas, die eine eigene, wenn auch überschaubare Tourismusindustrie aufgebaut haben. Doch bereits in den letzten Jahren schreckte der anhaltende Terror im Nachbarland Mali viele Urlauber ab. Die Terroranschläge im eigenen Land könnten diesen Wirtschaftszweig nun komplett zerstören, fürchten viele ivorische Restaurantbesitzer und Hoteliers.

Marie Sangaré Ablé kann die Angst der Touristen in Zahlen fassen. Ablé ist Direktorin des Hotels "Etoile du Sud", eines jener Hotels in Grand Bassam, in denen die Terroristen am heftigsten wüteten. Zwei Besucher kamen auf dem Grundstück ums Leben, unzählige wurden verletzt. Und auch einen Monat nach dem Angriff ist das Hotel so gut wie menschenleer. "Vor dem Anschlag hatten wir eine Auslastung von rund 80 Prozent", erinnert sich die Hoteldirektorin. "Heute kommen wir auf höchstens zwei bis drei Prozent, an manchen Tagen stehen sogar all unsere Zimmer leer." Gerade für ein familiengeführtes Hotel wie das "Etoile du Sud" sei ein solcher Umsatzeinbruch nicht lange verkraftbar, erklärt Ablé. "Wir tun zwar alles, um das zu verhindern, aber wenn es so weiter geht, müssen wir leider bald über erste Entlassungen nachdenken", so die Managerin.

Leere Restaurants in Grand Bassam, Elfenbeinküste (Foto: DW/Jan-Philipp Scholz)
Gähnende Leere: Grand Bassams Strandbars und Restaurants nach dem AnschlagBild: DW/J.-P. Scholz

Aufgeben ist keine Option

Arouna Ouattra ist einer jener Hotelangestellten, die nun um ihren Job fürchten müssen. Der Kellner bereitete gerade das Sonntagsbuffet vor, als die Terroristen das Strandhotel angriffen. Er selbst konnte sich gerade noch rechtzeitig verstecken, musste aber mit ansehen, wie zwei Besucher erschossen wurden. "Ehrlich gesagt, kann ich mich an vieles, was an dem Nachmittag passiert ist, überhaupt nicht erinnern. Ich weiß nur noch, dass der Angriff über eine Stunde gedauert hat", sagt Ouattara. In den Tagen nach dem Anschlag habe es zwar eine psychologische Betreuung im Hotel gegeben. Viele seiner Kolleginnen und Kollegen hätten die Erlebnisse aber trotzdem bis heute nicht verarbeiten können.

Ans Aufgeben denkt der Kellner trotzdem nicht. Vor allem die große Anteilnahme aus dem In- und Ausland und die Initiative der Musiker des "Collectif Bassam" hätten ihm Kraft geben. Beim Dreh des Musikvideos am Strand direkt vor dem Hotel war er selbst dabei. "Ihr macht uns keine Angst" - das sei genau die richtige Botschaft an die Terroristen, so Ouattara. "Es wäre zwar eine Lüge, zu behaupten, dass ich heute überhaupt keine Angst mehr habe, aber wir dürfen uns einfach nicht entmutigen lassen." Vor allem hofft er, dass die Botschaft der Musiker nun auch bei den Touristen ankommt. Und er sendet einen Appell an die ausbleibenden Touristen: "Bitte kommen Sie zurück und machen Sie uns wieder zu ihrem Lieblingshotel. Die Angst darf nicht siegen."

Arouna Ouattara, Kellner in Grand Bassam, Elfenbeinküste (Foto: DW/Jan-Philipp Scholz)
Kellner Arouna Ouattara will dem Terror trotzenBild: DW/J.-P. Scholz