Deutschland und der Kohleausstieg
1. Oktober 2017In ihrer aktuellen Stellungnahme fordern die Umweltexperten die kommende Bundesregierung auf, den Kohleausstieg unverzüglich einzuleiten. Die bevorstehende Legislaturperiode sei die letzte Chance, die Weichen für eine angemessene Umsetzung der Pariser Klimaziele in Deutschland zu stellen.
"Deutschland muss die Stromerzeugung aus Kohle schnellstens reduzieren und mittelfristig beenden, sonst sind die Klimaziele in Deutschland nicht zu erreichen", sagt die Energieökonomin Claudia Kemfert vom Sachverständigenrat. "Das letzte Kraftwerk muss in spätestens 20 Jahren vom Netz gehen."
Die Grundlage des Kohleausstiegs sollte eine festgeschriebene Gesamtmenge an Treibhausgasen sein, die durch Kraftwerke bis zur Abschaltung noch ausgestoßen werden darf. Natürlich gesetztlich verankert.
Nach der Ansicht von Wolfgang Lucht (Potsdam-Institut für Klimaforschung) sollte diese Menge keinesfalls zwei Milliarden Tonnen CO2 überschreiten. "Dies entspricht der Menge, die gerade noch reichen würde damit Deutschland seinen Anteil am Minimalziel erfüllt. Mit diesem Emissionsbudget könnte die Erwärmung der Erde auf zwei Grad begrenzt werden. Wünschenswert wäre natürlich, mit noch geringeren Gesamtemissionen sogar das Ziel von 1.5 Grad noch zu erreichen", so Lucht im Gespräch mit der DW.
Zwei Milliarden Tonnen CO2 entsprechen in etwa dem zehnfachen der Emissionen, die alle deutschen Kohlekraftwerke derzeit pro Jahr ausstoßen. Also wären die deutschen Klimaziele damit in zehn Jahren hinfällig.
Welche Verantwortung übernimmt Deutschland?
Das UN-Klimaabkommen verfolgt das Ziel, den Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur auf deutlich unter zwei Grad Celsius zu begrenzen, möglichst auf 1,5 Grad.
Auf Grundlage aktuellster Daten errechnete der Sachverständigenrat wie viel CO2-Emissionen weltweit noch in die Atmosphäre gelangen dürfen, damit die Erdtemperatur nicht über zwei Grad ansteigen wird und welches CO2-Budget jedem Erdbewohner dann noch verbleibt.
Im Zusammenhang mit den Emissionen für die Stromerzeugung ergibt sich so ein CO2-Budget für die Kohlekraft, damit Deutschland seinen Beitrag zur Begrenzung der Erderwärmung auf zwei Grad erfüllen kann.
Würde Deutschland ein ambitionierteres Ziel verfolgen und das 1,5 Grad-Ziel anstreben, so bliebe nur noch ein Emissionsbudget für die Kohlekraft von maximal 500 Millionen Tonnen CO2. Bei einem Weiterbetrieb der Kohlekraft wie bisher wäre dieses CO2-Budget so schon innerhalb der nächsten zweieinhalb Jahre verbraucht.
Bei der Aufteilung des global verbleibenden CO2-Budgets ging der Sachverständigenrat auch der Frage nach wie mit den historischen Emissionen umgegangen wird. Rechnet man die in der Vergangenheit angefallenen Emissionen mit ein, hätte "Deutschland seinen Anteil am Gesamtemissions-budget bereits ausgeschöpft oder sogar deutlich überschritten", heißt es im Gutachten.
Kohleausstieg in drei Phasen
Der Sachverständigenrat schlägt einen Ausstieg in drei Phasen vor: Bis 2020 sollten die ältesten, ineffizientesten und klimafeindlichsten Kohlekraftwerke stillgelegt werden. Mit diesem Schritt könnte zugleich das von der Bundesregierung angestrebte Ziel der Emissionsminderung noch erreicht werden: Bis 2020 den Ausstoß um 40 Prozent zu senken - verglichen mit 1990.
In der zweiten Phase bis 2030 sollten die verbliebenen Kohlekraftwerke mit verminderter Auslastung betrieben werden, aber zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit größtenteils am Netz bleiben.
In der dritten Phase werden die übrigen Kohlekraftwerke im Verlauf der 2030er-Jahre nach und nach geschlossen. Durch ein ambitioniertes Fortschreiben der Energiewende sollten dann auch ausreichend Erneuerbare-Energien zur Verfügung stehen und "in Kombination mit Stromspeichern und Nachfragemanagementoptionen die Versorgungssicherheit gewährleisten."
Klarer Ausstiegspfad empfohlen
Abgesehen von der AfD bekennen sich alle Parteien im Bundestag zu den Klimaschutzzielen von Paris. Mit Blick auf den Handlungsdruck empfehlen die Sachverständigen den Regierungsparteien, "den Kohleausstieg im Koalitionsvertrag als eine prioritäre Aufgabe festzuhalten". Dort sollte ein verbindliches CO2-Emissionsbudget für die Kohleverstromung von heute bis 2040 festgelegt werden, "das mit den nationalen und internationalen Klimaschutzzielen vereinbar ist."
Die Berater der Bundesregierung vergleichen die anstehenden Herausforderungen mit dem Ausstieg aus dem Steinkohleabbau und dem Atomausstieg. Eine Einigung zwischen Politik und Betroffenen habe sich hier "als sinnvoller Weg erwiesen". Ein Konsens über das Ende der Kohleverstromung und ein gemeinsam erarbeiteter Ausstiegspfad hätte eine Reihe von Vorteilen, biete den Betroffenen Planungssicherheit und könne für eine möglichst gerechte Lastenverteilung sorgen.
Empfohlen wird zur Begleitung des Ausstiegspfads eine sogenannte Kohlekommission in der betroffenen Regionen, Unternehmen, Gewerkschaften und Umweltschutzverbände gemeinsam beraten.