EU-Ostpartnerschaft
30. April 2009Deutsche Welle: Am 7. Mai wird in Prag die Ostpartnerschaft gegründet. Eingeladen dazu sind die sechs ehemaligen Sowjetrepubliken Armenien, Aserbaidschan, Georgien, Belarus, die Ukraine und Moldau. Ist das Programm ein Ersatz für eine EU-Mitgliedschaft?
Ruprecht Polenz: Die Ostpartnerschaft, zu der sechs Länder gehören, hat das Ziel, diese möglichst nah an die EU heranzuführen und Reformen zu unterstützen. Sie ist nicht als ein Ersatz, oder gar als ein anderer Weg, der die Mitgliedschaft prinzipiell ausschließen würde, konzipiert. Die EU sagt richtigerweise nach der großen Erweiterung 2004: wir können im Augenblick neue Erweiterungsrunden nicht verkraften, wir können sie auch nicht in Angriff nehmen, aber wir können den Nachbarn Programme anbieten. Wenn sie die umsetzen und erfüllen, würde das auf alle Fälle für die Zukunft die Möglichkeit, über Mitgliedschaften zu sprechen, nicht erschweren, sondern eher erleichtern. Aber das ist ein Thema, das sich vielleicht in fünf oder zehn Jahren erneut stellen kann, je nach Land.
Vor der Erweiterungsrunde 2004 galt die Beitrittsperspektive für die postsozialistischen Länder als Ansporn für Reformen. So klar ist diese Perspektive für Länder wie die Ukraine jetzt nicht.
Ich bin in der Ukraine immer wieder mit der Frage konfrontiert worden: Warum gebt ihr uns keine klare EU-Perspektive? Meine Antwort war immer: wenn ihr die haben wollt, dann setzt das Programm der Östlichen Partnerschaft um. Die Frage der Mitgliedschaft stellt sich heute nicht, da ist die Ukraine weit von entfernt, sowohl was Demokratie, Rechtsstaat, Institutionen, Korruptionsbekämpfung als auch was die wirtschaftliche Entwicklung angeht. Es stellen sich konkrete Reformfragen und da hilft die Östliche Partnerschaft der Ukraine, wenn sie sich auf diese Hilfsprogramme einlässt und sie konsequent umsetzt.
In Prag werden die Staatspräsidenten der Nachbarländer erwartet. Würden Sie sich dort auch den weißrussischen Präsidenten wünschen?
Es gab eine heftige Diskussion innerhalb der EU, wie man in dieser Frage im Augenblick mit Weißrussland umgeht. Dort ist der Abstand zu demokratischen Verhältnissen am allergrößten. Gerade auch in der Person des weißrussischen Präsidenten manifestiert sich diese autoritäre, teilweise diktatorische Haltung. Die Lösung, die man gefunden hat, ist die, dass Weißrussland eingeladen ist - auch als ein Signal, dass man Reformprozesse, wenn sie denn in Gang kommen, unterstützen will. Man hat den Weißrussen auch deutlich gemacht, sie möchten sich gut überlegen, wen sie nach Prag schicken. Ich denke, das ist in Minsk auch verstanden worden.
Experten sehen die Möglichkeit, dass die Teilnehmer der Ostpartnerschaft auch untereinander eine Integration vorantreiben, im Gegensatz zum Integrationsmagneten Russland. Sehen Sie dies auch so?
Eine Zusammenarbeit zwischen diesen Ländern ist erstaunlicherweise kaum vorhanden. Natürlich ist auch für die wirtschaftliche Entwicklung der direkte Austausch mit den jeweiligen Nachbarn wichtig. Deshalb ist es seit jeher Strategie der EU, auch diese regionale Zusammenarbeit der Partnerländer untereinander zu fördern. Das hat die EU auf dem Balkan zu ihrer Politik gemacht, mit den Staaten des ehemaligen Jugoslawien.
Erwartet man Widerstand seitens Russland?
Mit Russland pflegt die EU ein besonderes Partnerschaftsverhältnis. Aufgrund seiner Größe ist es auch angemessen, dass man sich Russland in eigenen Vertragsverhandlungen über ein Partnerschafts- und Kooperationsabkommen zuwendet. Auch für Russland hätte ein Erfolg der durch die Östliche Partnerschaft angestoßenen Reformen in den Ländern, die zwischen der EU und Russland liegen, große Vorteile. Natürlich würde auch Russland von Ländern profitieren, denen es wirtschaftlich gut geht, die politisch stabil, rechtstaatlich und demokratisch verfasst sind. Russland sieht es nicht in allen Facetten so, weil in manchen Köpfen noch das Denken in Einflusssphären verhaftet ist, wo der Wunsch nach Einfluss den Wunsch eines anderen Einflusses ausschließt. Dieses Nullsummen-Denken gilt es, in den russischen Köpfen zu überwinden.
Wird man im Rahmen der Ostpartnerschaft auch über Konflikte wie Transnistrien, Südossetien und Abchasien sprechen?
Gerade was Transnistrien angeht, so ist das auch etwas wie ein Lackmustest, ob wir alle aus dem Konflikt zwischen Russland und Georgien gelernt haben, vor allem, dass diese so genannten eingefrorenen Konflikte sehr schnell sehr heiß werden können. In Transnistrien geht es darum, dass Russland seine Zusagen endlich umsetzt und die dort noch gelagerten Waffen nach Russland transportiert. Damit würde die Begründung für die Stationierung russischer Soldaten in Transnistrien entfallen und die Probleme zwischen Transinistrien und Moldau wären wesentlich einfacher zu lösen. Wir haben noch den Konflikt um Berg-Karabach. Da bemüht sich Russland auch um eine Lösung. Das Verhältnis zwischen Armenien und der Türkei scheint sich etwas zu verbessern. Das zeigt, dass die Östliche Partnerschaft auch mit dazu beitragen kann, solche Konflikte lösen zu helfen.
Das Gespräch führte Eugen Theise
Redaktion: Markian Ostaptschuk