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EU startet Beitrittsgespräche mit Island

27. Juli 2010

Die Europäische Union hat offizielle Beitrittsverhandlungen mit Island aufgenommen. Die Regierung in Reykjavik hofft auf ein schnelles Vorankommen. Doch der Beitritt ist kein Selbstläufer.

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EU-Flagge und isländische Flagge in einer Montage (Foto: DW)
Wehen bald beide Flaggen auf Island?Bild: dpa / DW-Fotomontage

Der Inselstaat im Nordatlantik hatte der Europäischen Union lange die kalte Schulter gezeigt. Doch der Zusammenbruch des Finanzsystems vor einem Jahr zwang zum Umdenken: Island reichte in Brüssel seinen Beitrittsantrag ein. "Unsere Heimat ist Europa, und Islands EU-Mitgliedschaft wird unseren gegenseitigen Interessen dienen", erklärte Außenminister Össur Skarphedinsson kürzlich. Die Aufnahme in das Staatenbündnis ist für 2012 oder 2013 vorgesehen.

Seit diesem Dienstag (27.07.2010) wird nun offiziell verhandelt. Nach dem zeremoniellen Startschuss sprach EU-Erweiterungskommissar Stefan Füle von einem "historischen Moment". Der Beitritt sei für beide Seiten von Nutzen. Es müsse aber auch von beiden Seiten Anstrengungen geben.

Knackpunkte bei Fischerei und Finanzen

Jeder europäische Staat kann die Mitgliedschaft in der EU beantragen. Politische Voraussetzung ist die Erfüllung der "Kopenhagener Kriterien" von 1993. Dabei geht es vor allem um stabile Institutionen, Demokratie, Rechtsstaaatlichkeit, eine funktionierende Marktwirtschaft und die Fähigkeit, EU-Beschlüsse in nationales Recht zu übertragen. Erst nach dieser ersten Prüfung entscheidet der EU-Ministerrat über ein Verhandlungsmandat. Die Verhandlungen werden in 35 Bereichen geführt, und zwar gleichzeitig mit jedem einzelnen der derzeit 27 Mitglieder.

Obwohl Island als Teil des Europäischen Wirtschaftsraums (seit 1994) und des visafreien Schengen-Raums (seit 2000) die meisten der Bedingungen bereits erfüllt, gibt es dennoch Probleme. Dazu gehört die Tilgung der Auslandschulden. Großbritannien und die Niederlande hatten ihre Anleger, die beim Zusammenbruch der isländischen Banken ihr Geld verloren hatten, mit rund 3,8 Miliarden Euro entschädigt und fordern dieses Geld nun von Reykjavik zurück. Außenminister Skarphedinsson geht deshalb von einem längeren Prozess aus. Besonders schwierig seien unter anderem die Bereiche Umwelt, regionale Entwicklung, und natürlich die Fischereipolitik.

Fischerboot mit getötetem Wal (Foto: AP)
In Island werden noch immer Wale gejagt - zum Missfallen der Europäischen UnionBild: AP

Island schottet seine Fischgründe gegen ausländische Konkurrenz ab, weigert sich aber zugleich, ein Walfangverbot einzuhalten. So lehnt Reykjavik nicht nur das EU-Fischfang-Quotensystem ab. Auch der Walfang ist mit dem Gemeinschaftsrecht unvereinbar. Wale und Delfine dürfen nach der EU-Richtlinie innerhalb der europäischen Gewässer weder gefangen noch getötet werden. Island wies die Forderung nach einem Stopp des traditionellen Walfangs jedoch umgehend zurück. Sein Land gefährde keine Bestände, betonte Skarphedinsson. Allerdings unterstützen auch viele Isländer ein Walfangverbot.

"Die Verhandlungen werden kein Selbstläufer", verlautete daher aus hohen europäischen Diplomatenkreisen. Nur wenn sich Reykjavik den EU-Bedingungen beuge, könne es der Gemeinschaft wirklich beitreten.

Referendum mit ungewissem Ausgang

Demonstration in Reykjavik (Foto: dpa)
Die Mehrheit der Isländer ist gegen einen EU-BeitrittBild: dpa

Ein weiteres Problem ist das Referendum. Auf der Insel, die erst 1944 die vollständige Unabhängigkeit von Dänemark erhielt, ist der Beitritt nämlich nach wie vor umstritten und die Zustimmung der rund 320.000 Isländer zu einer EU-Mitgleidschaft ungewiss. Letzten Umfragen zufolge sind 58 Prozent der Isländer gegen einen EU-Beitritt.

Neben Island verhandelt die Europäische Union auch mit Kroatien und der Türkei über einen Beitritt. Bereits Mitte Juni hatte das kroatische Parlament für Verfassungsänderungen gestimmt, die die Europäische Union gefordert hatte. Dabei geht es vor allem um Minderheitenrechte und das Wahlrecht für Auslandskroaten. Somit könnte Kroatien sogar noch vor Island EU-Mitglied werden. Zagreb strebt bis 2012 den Beitritt zur EU an.

Autoren: Gerhard M Friese / Annamaria Sigrist (rtr, afp, dpa, apn)
Redaktion: Ursula Kissel / Frank Wörner