Fakten zum Angriff der Hamas auf Israel
9. Oktober 2023Wie verlief der Angriff der Hamas auf Israel?
Seit dem Jom-Kippur-Krieg vor 50 Jahren gab es in der Schwere keinen vergleichbaren Angriff auf Israel. Die militant-islamistische Hamas , die von Deutschland, der EU und anderen Staaten als Terrororganisation eingestuft wird, griff Israel zu Lande, zu Wasser und aus der Luft an und schoss tausende Raketen auf Israel.
Nach Angaben der israelischen Armee drang die Hamas mit schätzungsweise tausend militanten Kämpfern auf Motorrädern, in Autos, auf motorisierten Gleitschirmen und zu Fuß in Israels südliche Grenzorte ein. Dort wurde auf Zivilisten geschossen, Soldaten wurden getötet und Zivilisten verschleppt.
Wie viele Tote gab es?
Nach vorläufigen offiziellen Angaben wurden auf israelischer Seite mehr als 800 Menschen getötet und mehr als 2100 weitere verletzt. Auf palästinensischer Seite gab es nach Bombardements durch die israelische Armee im Gazastreifen nach Angaben der örtlichen Behörden bislang mehr als 680 Tote und mehr als 3700 Verletzte.
Massaker auf einem Musikfestival?
Nach einem Terroranschlag der Hamas auf ein Musikfestival im Süden Israels suchen viele Familien noch nach ihren Angehörigen. Der israelische Rettungsdienst Zaka barg auf dem Festivalgelände nahe des Gazastreifens 260 Leichen. Videos, die in Sozialen Netzwerken und von Medien verbreitet wurden, zeigen Feiernde, die sich in nahegelegenen Obstplantagen versteckten oder auf der Flucht erschossen wurden. Offenbar wurden zahlreiche Menschen von dem Gelände in den Gazastreifen verschleppt.
Was unterscheidet den Angriff von früheren?
Ungewöhnlich ist, dass die Hamas in diesem Umfang ins Kernland Israels eingedrungen ist. "Die Hamas-Kämpfer gingen von Tür zu Tür, um Geiseln zu nehmen", erklärte die Menschenrechtsanwältin Zaha Hassan, die für die US-amerikanische Denkfabrik Carnegie Endowment for International Peace in Washington arbeitet, in einem Interview mit der Berliner Zeitung Tagesspiegel. Dies sei eine neue Qualität. Normalerweise ziehe die Hamas "gerne israelische Truppen in den Gazastreifen hinein, um sich dort mit ihnen Kämpfe zu liefern".
Zudem kam der Angriff für Israel unerwartet. Der ehemalige Vorsitzende des Nationalen Sicherheitsrats in Israel, Giora Eiland, erklärte gegenüber der Presse, Israel sei von "dem sehr gut koordiniertem Angriff komplett überrascht worden". Menschenrechtsanwältin Hassan ist der Meinung, die israelischen Geheimdienste hätten "völlig versagt".
Wo war das israelische Militär?
Normalerweise wird die Bevölkerung bei militärischen Angriffen durch die militärischen Abschirmdienste Israels vorgewarnt. Nahost-Expertin Muriel Asseburg von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) erklärt sich das Ausbleiben der Sicherheitsmaßnahmen bei diesem Angriff mit dem "Fokus der israelischen Regierung auf Westjordanland", das von Israel besetzt ist.
Die Regierung von Benjamin Netanjahu treibe dort die Siedlungs- und Annexionspolitik voran und sei in den letzten eineinhalb Jahren militärisch gegen bewaffnete Gruppierungen vorgegangen, erklärte sie in einem Interview mit der Berliner Tageszeitung Tagesspiegel.
Andere sehen einen Zusammenhang mit der wachsenden politischen Spaltung des Landes. Der israelische Militäranalyst Amos Harel von der liberalen israelischen Tageszeitung Haaretz vermutet, dass der monatelange Streit über die Justizreform im Land ein Motiv für den Zeitpunkt der Attacke gewesen sein könnte.
"Der Angriff trifft Israel innenpolitisch zu einem schlechten Zeitpunkt", schreibt er. "Das war möglicherweise Teil des Kalküls der Hamas, die davon ausging, dass es möglich ist, die israelische Schwäche auszunutzen."
Wie reagiert Israel?
Israels Ministerpräsident Netanjahu kündigte Vergeltung an und rief am 8. Oktober den Kriegszustand aus. Er ordnete die Mobilmachung von 300.000 Reservisten an und kündigte an, die israelischen Streitkräfte würden die militärischen und politischen Kapazitäten der Hamas "zerstören". Israel stehe ein "langer und schwerer Krieg" bevor.
Außerdem ordnete die israelische Regierung eine komplette Abriegelung des Gazastreifens an. Israels Verteidigungsminister Joav Galant erklärte gegenüber Medien, es werde "keinen Strom, keine Lebensmittel und keinen Treibstoff geben".
Wird die Hilfe für Palästinenser zurückgefahren?
Der Hamas-Angriff auf Israel hat eine Debatte über die Finanzierung des Hilfswerks der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA) ausgelöst. EU-Erweiterungskommissar Oliver Varhelyi kündigte auf der Plattform X (ehemals Twitter) an, die gesamte Hilfe für die palästinensischen Gebiete der EU einzufrieren. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell korrigierte diese Aussage später: Man werde künftige Auszahlungen prüfen. Eine grundsätzliche Entscheidung darüber wird von einem Sondertreffen der EU-Außenministerinnen und Minister in Omans Hauptstadt Muskat erwartet.
Deutschland will seine Hilfen für die Palästinenser laut Entwicklungshilfeministerin Svenja Schulze "komplett auf den Prüfstand stellen". Österreich hat angekündigt, seine Zahlungen in Höhe von rund 19 Millionen Euro auszusetzen.
Nach Angaben von UNRWA war Deutschland 2022 mit Zuwendungen in Höhe von 190 Millionen Dollar der zweitgrößte Geber nach den USA, die 344 Millionen Dollar zur Verfügung stellten. Die EU finanzierte die Arbeit der UN-Palästina-Hilfe im vergangenen Jahr mit 97 Millionen Euro.
Wie ist die Lage im Gazastreifen?
Im Gazastreifen wohnen 2,3 Millionen Palästinenser auf einer Fläche von 365 Quadratkilometern. Nach UN-Angaben sind 80 Prozent der Bevölkerung auf internationale Hilfe angewiesen. Seit der Machtübernahme durch die Hamas im Jahr 2007 ist Gaza von Israel als "feindliches Gebiet" eingestuft und bis heute weitgehend abgeriegelt.
Es gibt nur wenige Stunden am Tag Strom, die große Mehrheit der Bevölkerung hat kein sauberes Trinkwasser. Nach dem Hamas-Angriff hat Israels Premier die Bevölkerung aufgefordert, das Gebiet zu verlassen. Dies ist allerdings aufgrund der Abriegelung so gut wie unmöglich.
Hinweis: Dieser Artikel wurde um weiteren Kontext aktualisiert.