FDP: "Es ist ein neuer Aufbruch"
5. Januar 2014Max Erdmann ging noch zur Schule, als er Guido Westerwelle das erste Mal live sah. Das war in Bonn. Westerwelle war noch Vorsitzender der FDP. Der heute 21-jährige Jura-Student Erdmann war sofort angetan von der Ausstrahlung des Politikers: "Er war schon immer sehr charismatisch." Schon damals wusste Erdmann, dass er einmal der FDP beitreten würde. Doch er ließ sich Zeit damit.
Bei der Bundestagswahl 2013 scheiterte die FDP an der Fünf-Prozent-Hürde. Die Regierungspartei landete mit einem Mal in der außerparlamentarischen Opposition. Zwei Wochen später trat Erdmann in die Partei ein. "Jetzt erst recht!" dachte er sich.
Er ist eines von über 2000 Neumitgliedern, die nach Angaben der Partei seit der Wahlschlappe FDP-Mitglied geworden sind. "Allein in Nordrhein-Westfalen sind es etwa 400 bis 500 Neueintritte", sagt Moritz Kracht, Pressesprecher des liberalen Landesverbandes in Nordrhein-Westfalen. "Wir erleben aktuell einen sehr starken Zustrom in die Partei." Auf einem jüngst abgehaltenen Kongress für Neumitglieder und Interessierte in Düsseldorf seien "so viele interessierte Bürgerinnen und Bürger gekommen wie in der Vergangenheit nie zuvor", schwärmt Kracht.
"Wieder mehr auf klassische liberale Themen konzentrieren"
Die Bundestagswahl war für viele Liberale und Sympathisanten der Partei ein Schock. Auch Max Erdmann saß am 22. September entsetzt vor seinem Fernseher. Damit hatte er nicht gerechnet. Dennoch: "Das Ergebnis war die logische Konsequenz aus der Politik der Bundespartei", ist er überzeugt. Thematisch habe sich die Partei zu sehr eingeengt. "Ich denke, man muss sich jetzt wieder mehr auf klassische liberale Themen konzentrieren, statt auf die Steuerpolitik." Steilvorlagen gebe es genügend, ist Erdmann überzeugt: "Zum Beispiel das EU-Verfahren zur Vorratsdatenspeicherung, die NSA-Affäre, die Mietpreisbremse und die Rententhematik."
Moritz Kracht vom Landesverband NRW ist überzeugt, dass seine Partei die Wahl mittlerweile gut aufgearbeitet habe. Jetzt müsse man alles daran setzen, dass die Bürger die FDP auch wieder als liberale Kraft wahrnehmen. "Deswegen ermutigen wir unsere Parteifreunde vor Ort, dass sie viele Veranstaltungen durchführen, bei denen wir Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit geben, mit der FDP ins Gespräch zu kommen." Wenn man eine Partei kennen lernen wolle, sei nichts wichtiger als der persönliche Umgang, so Kracht.
"Die Partei muss von unten neu aufgebaut werden"
In NRW setzen die Liberalen also auf die Basis, auf die Ortsverbände, die die Nähe zum Wähler wieder herstellen sollen - Menschen wie Christian Koch. Koch ist seit Jahren aktives FDP-Mitglied in Bornheim, einer Stadt mit fast 50.000 Einwohnern vor den Toren Bonns. Im Stadtrat ist er Fraktionsvorsitzender der Liberalen. "Unsere Politik vor Ort ist ein Kontrastprogramm zur Bundespartei der letzten Jahre", ist Koch überzeugt. Hier betreiben er und seine Parteifreunde nach eigenen Worten "solide und vernünftige Kommunalpolitik". Sie beschäftigen sich mit den Themen, die die Menschen im Ort bewegen. Einbahnstraßen und Einkaufszentren statt Steuerpolitik, sozusagen.
"Die Partei muss von unten neu aufgebaut werden", ist Koch überzeugt. Das hat auch der Landesverband erkannt und den kleinen Parteitag der NRW FDP, offiziell als Gremium Landeshauptausschuss tituliert, für alle Mitglieder geöffnet. Wo bisher die Partei-Elite unter sich blieb, durften zuletzt alle Mitglieder teilnehmen und über die Neuausrichtung der FDP mitdiskutieren. "Die Partei versucht sich intern mehr zu öffnen, um zu sehen, was die Basis will", beschreibt Koch die Konsequenzen, die sein Landesverband aus der Wahlschlappe zog.
Rückbesinnung auf die Basis
Insgesamt drei neue Mitglieder konnte die FDP in Bornheim seit der Wahlschlappe begrüßen. "Für einen Ortsverband mit 30 Mitgliedern ist das schon sehr viel", sagt Koch. Er versucht, die Neumitglieder in die Partei zu integrieren. Im Mai stehen in Nordrhein-Westfalen wieder Kommunalwahlen an. Vielleicht wird dann auch schon der 21-jährige Student Max Erdmann für den Stadtrat kandidieren. "Aber das entscheidet sich noch", sagt dieser. Erdmann will sich jetzt unabhängig von der Wahl im Frühjahr kommunalpolitisch einbringen. Konkrete Pläne hat er noch nicht. Er könnte sich aber zum Beispiel vorstellen, bei der Pressearbeit des Ortsverbandes mitzuwirken.
Jetzt erst recht - das Wahldebakel im September 2013 hat die Partei wachgerüttelt. In den Orts- und Landesverbänden arbeiten junge Liberale wie Erdmann und Koch an der politischen Wiederauferstehung der FDP. "Es ist ein neuer Aufbruch", zeigt sich Pressesprecher Moritz Kracht überzeugt. Aber bis zur nächsten Bundestagswahl, die voraussichtlich 2017 stattfindet, ist es noch ein langer Weg.