Feiern, singen, debattieren
3. September 2014Feiern von Freitagabend bis Montagmorgen - für Endlos-Partys wie die im Club Berghain ist Berlin berühmt. Doch der Geburtsort des Techno-Events Love Parade kann nicht nur elektronische Musik. An jedem Tag der Woche spielen Bands und DJs auf verschiedenen Konzerten und Partys. Eine Stadt mit einer solchen Musikszene braucht natürlich auch eine Veranstaltung, die eben diese Szene gebührend feiert: Mit der Berlin Music Week, deren Medienpartner die Deutsche Welle ist, findet dieser Mix aus Branchentreff und Festival vom 3. bis 7. September statt.
Das Programm wirkt auf den ersten Blick etwas chaotisch: Neben den Konferenzen für die Fachbesucher gibt es gleich mehrere Festivals mit vielen Künstlern an unterschiedlichen Standorten. Dazu kommen Events von Partnern, die auf den ersten Blick nicht unbedingt etwas mit Musik zu tun haben, wie die "Lange Nacht der Start-Ups" zum Beispiel. "Wir verlieren selbst fast den Überblick", gibt Björn Döring, Leiter der Berlin Music Week, zu und lacht.
Newcomer singen auf der Straße
Bei der Gestaltung des Programms erweist sich die trubelige Musikszene Berlin allerdings auch als Problem: "Etwas zu machen, das sich von dem unterscheidet, was eh in Berlin passiert, das ist eine Herausforderung", meint Döring. Außerdem locken nur wenige große Namen wie K.I.Z., Woodkid oder Moderat, die am Wochenende (4. und 5. September) beim Berlin Festival spielen. Stattdessen präsentieren sich vor allem noch unbekannte Künstler, zum Beispiel bei der Veranstaltung "First We Take The Streets", das dieses Jahr erstmals stattfindet. Hier treten Bands auf den Straßen rund um die East Side Gallery auf. Bei "First We Take Berlin" spielen die Musiker in rund 150 Klubs.
Das Line-Up überlassen die Veranstalter größtenteils ihren Partnern, beispielsweise Booking-Agenturen oder dem Melt!-Festival. Die Künstler stammen nicht nur aus Deutschland, wie der Ghanaische Musiker Guy One oder Norma Jean Martine aus New York. Außerdem präsentiert PopXport, das Musikmagazin der DW, die Verleihung der VUT Indie Awards. Nominiert sind Bandgrößen wie The Notwist und Moderat.
Wie die Musiker kommen auch die Besucher aus aller Welt, aus Skandinavien, den USA oder Polen. Döring erwartet über 25.000 Fans, mehr noch als im Vorjahr. Die sollen aber nicht nur zu den bekannten Bands gehen. "Wir setzen auf die Neugier der Besucher. Und es gibt kein finanzielles Risiko." Das Straßenmusikfestival ist kostenlos, die Karten für First We Take Berlin günstig. Wer will, kann die Musik der Künstler sogar vorher mit einer App probehören.
Keine Selbstdarstellungsfeier mehr
Damit tritt die Berlin Music Week in die Fußstapfen der großen Showcase-Festivals Eurosonic im niederländischen Groningen und South by Southwest in Austin, Texas. Ganz vorne sieht Döring seine Veranstaltung allerdings noch lange nicht: "Wir sind Newcomer. South by Southwest und Eurosonic sind schon seit Jahren am Markt." Die Berlin Music Week hingegen startet dieses Jahr erst zum fünften Mal. Konkurrenz findet Döring eher im eigenen Land: "Die stärkste Konkurrenz ist das Reeperbahn-Festival in Hamburg", schätzt er und ordnet die Music Week selbstbewusst noch vor der Kölner c/o pop ein.
Dabei liegen in Köln auch die Ursprünge der Berlin Music Week: 2004 zog die Fachmesse Popkomm von dort nach Berlin um. Allerdings zeigte sich bald, dass das alte Messekonzept überholt war: Die Erwerbsmodelle funktionierten nicht mehr, die Umsätze gingen zurück. Eine "Selbstdarstellungsfeier", wie Musik-Produzent Tim Renner die Popkomm bezeichnete, wollte unter diesen Umständen niemand mehr. "Aber einen Branchentreff brauchte es natürlich trotzdem", erzählt Döring. "Den gibt es jetzt um das Festival herum." 2010 startete deshalb die Berlin Music Week.
Gemütlich statt "gigantomanisch"
Das Fachpublikum zieht nun das Konferenzprogramm "Word!" an. Döring rechnet mit 3.000 Besuchern bei den Podiumsdiskussionen und Workshops. Eine der Veranstaltungen, die ausschließlich der Branche vorbehalten bleibt, ist beispielsweise der Music Hack Day. Dort treffen etwa 150 Kreative, Designer und Software-Entwickler aufeinander. Nur 24 Stunden haben sie Zeit, um ein neues Produkt oder ein neues Programm zu entwickeln.
Einige Panels wird auch Mo Loschelder besuchen. Die Berlinerin arbeitete früher selbst als DJ, inzwischen hat sie ihre eigene Booking-Agentur media loca gegründet. "Ich war letztes Jahr schon da und es war erstaunlich gut. Es gab spannende Panels und Diskussionen mit Experten", erzählt sie. Besonders freut sie sich auch dieses Jahr auf die genderspezifischen Debatten, zum Beispiel über Frauen im Musikbusiness. Davon abgesehen erwartet sie allerdings keine großen Überraschungen: "Die Themen werden eigentlich überall besprochen. Das ist das Übliche." Und auch allzu international ist die Veranstaltung aus ihrer Sicht nicht. "Es ist sehr Berlin-spezifisch und die Formate bleiben überschaubar." Nicht unbedingt ein Nachteil, findet Loschelder. "Das Berliner Netzwerk wirkt auch anziehend. Und wenn eine Veranstaltung zu bombastisch, gigantomanisch wird, funktioniert sie hier nicht. Das ist wie mit der Berliner Clubszene. Die ist ja auch eher gemütlich."