Polizei: Syrer in Köln plante Anschlag
21. September 2016Der in Köln festgenommene syrische Flüchtling plante nach Erkenntnissen der Polizei einen Sprengstoffanschlag. Er habe in Internet-Chats seine "unmissverständliche Bereitschaft" geäußert, einen solchen Anschlag zu begehen, sagte Klaus-Stephan Becker von der Kölner Polizei bei einer Pressekonferenz. Von einem Chatpartner im Ausland habe er "ganz konkrete Anweisungen" zum Bau einer solchen Bombe erhalten, sagte Becker. Hinweise darauf, dass er sich bereits mit Materialien für den Bau eines solchen Sprengsatzes versorgt habe, gebe es dagegen nicht, sagte der Kölner Polizeipräsident Jürgen Mathies. Ein konkretes Anschlagsziel sei nicht bekannt.
Die Auswertung seines Handys belege "Kontakte zu einer im Ausland lebenden Person mit IS-Bezügen, die den jungen Syrer für islamistische Aktivitäten gewinnen wollte", teilten die Kölner Staatsanwaltschaft und die Polizei mit. Die ersten Anhaltspunkte, wonach sich der 16-Jährige in kurzer Zeit radikalisiert habe, hätten sich damit bestätigt. Weitere Details wollten die Fahnder zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht nennen. Die "Bild"-Zeitung berichtete in ihrer Onlineausgabe, der junge Syrer sei vom IS ferngesteuert worden.
Ein Spezialeinsatzkommando hatte den Syrer am Dienstag in einer Kölner Turnhalle festgenommen, die als Notaufnahme-Einrichtung für Flüchtlinge genutzt wird. In dem Gedränge, das durch den plötzlichen SEK-Einsatz entstand, waren drei Flüchtlinge leicht verletzt worden. Von dem 16-Jährigen ging nach Einschätzung der Polizei "eine ernstzunehmende Gefahr" aus. Die Polizei richtete eine 35-köpfige Ermittlungsgruppe ein, die an der Aufklärung des Falls arbeitet. Den entscheidenden Hinweis für die Festnahme bekamen die Ermittler aus dem Verwandtenkreis und der DiTiB Moschee in Porz, berichtet die Kölner Boulevard-Zeitung Express auf ihrer Homepage. Die DiTiB, auch bekannt als "Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion e.V." ist ein bundesweiter Dachverband für die Koordinierung der religiösen, sozialen und kulturellen Tätigkeiten der angeschlossenen türkisch-islamischen Moscheegemeinden.
Mehr Rekrutierungsversuche durch Salafisten?
Die Bundesregierung befürchtet unterdessen, dass sich Salafisten zunehmend um die Anwerbung von Flüchtlingen bemühen. "Perspektivisch ist von einer Zunahme dieser Aktivitäten auszugehen", heißt es in einer Antwort des Bundesinnenministeriums auf eine Parlamentsanfrage, die den Zeitungen der Funke Mediengruppe vorliegt. Seit Oktober 2015 seien mehr als 340 Fälle bekanntgeworden, in denen Salafisten versucht hätten, Kontakt zu Flüchtlingen aufzunehmen. Mehr als die Hälfte dieser Kontaktversuche hätten sich "an oder im Umfeld von Migrantenunterkünften" ereignet. Die Kontaktaufnahme geschehe unter dem Deckmantel humanitärer Hilfsangebote. So würden etwa Gebetsteppiche, Nahrungsmittel und Geld an Flüchtlinge verteilt. Besonders anfällig für Versprechen von Islamisten seien unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, so das Bundesinnenministerium.
Die innenpolitische Sprecherin der Linken im Bundestag, Ulla Jelpke, forderte mehr Anstrengungen im Kampf gegen die Salafistenszene. "Etwas bedenklich stimmt mich, dass die Bundesregierung keine neuen Ideen entwickelt, wie der Salafistenpropaganda entgegengewirkt werden kann", sagte sie den Funke-Zeitungen. Es sei die Aufgabe der ganzen Gesellschaft, "Flüchtlinge in Deutschland vor jeglicher Hasspropaganda zu schützen".
BKA: Zahl der potenziellen Terroristen steigt
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann warnte vor Salafisten. "Vor falschen Predigern und islamistischen Hetzern müssen wir auf der Hut sein und bewusst gegensteuern", so der CSU-Politiker. "Die islamistische Szene beobachten wir deshalb auch sehr aufmerksam - gerade auch die Versuche von Salafisten, junge Flüchtlinge als Nachwuchskämpfer zu rekrutieren."
Das Bundeskriminalamt gab derweil bekannt, dass die Zahl potenzieller Terror-Täter unter Beobachtung deutscher Sicherheitsbehörden erneut gestiegen sei. "Im Moment zählen wir 523 Gefährder", sagte BKA-Chef Holger Münch der "Rheinischen Post". Im Juni ging das BKA noch von 501 so genannten Gefährdern aus. Die Hälfte hält sich laut Münch derzeit in Deutschland auf, davon säßen etwa 80 in Justizvollzugsanstalten. Es blieben also rund 180 potenzielle Gewalttäter übrig. "Im Umgang mit diesen Gefährdern verfügen wir über ein abgestimmtes Maßnahmenkonzept", sagte Münch.
mas/uh (afp, dpa, kna, ditib.de, express.de)