Festnahmen im Mordfall Hariri
30. August 2005Nach Angaben libanesischer Sicherheitskreise sind unter den Festgenommenen drei ehemalige Sicherheitschefs, die sämtlich für ihre pro-syrischen Kontakte bekannt waren: der frühere Chef des Inlandssicherheitsdienstes Ali al-Hadsch, der frühere Chef des militärischen Geheimdienstes Raymond Asar und der einstige Sicherheitschef Dschamil al-Sajjid. Außerdem wurde Ex-Justizminister Adnan Adun festgenommen. Der ehemalige Abgeordnete Nassir Kandil, der sich zur Zeit in Syrien aufhält, soll informiert worden sein, dass ein Haftbefehl gegen ihn vorliegt.
Die Festnahmen erfolgten auf Ersuchen der Untersuchungskommission der Vereinten Nationen. Der libanesische Ministerpräsident Fuad Seniora bestätigte die Festnahmen. Es war die erste größere Polizeiaktion seit dem Mord an Hariri am 14. Februar 2005. Viele Libanesen vermuteten seit längerem Syrien und pro-syrische Politiker im Libanon hinter der Tat. Den Behörden wurde Vertuschung vorgeworfen.
Deutsche Ermittler am Werk
Die Verhaftungswelle wird in Beirut mit den Untersuchungen in Verbindung gebracht, die der Berliner Staatsanwalt Detlev Mehlis im Auftrag der Vereinten Nationen durchführt: Seit Monaten hat Mehlis Material und Informationen über Hintergründe des Hariri-Anschlages gesammelt. Es heißt, die Veröffentlichung seines Untersuchungsberichtes durch den UN-Sicherheitsrat sei bald zu erwarten. In Beirut hält sich das Gerücht, dass der Bericht die Vorwürfe gegenüber Syrien untermauern wird, obwohl der syrische Präsident Baschar el Assad erst kürzlich wieder solche Vorwürfe weit von sich gewiesen hat. In einem Gespräch mit dem deutschen Magazin "Der Spiegel" bestritt Assad, dass syrische Stellen in den Mord verwickelt gewesen seien.
Syrien unter Dauerverdacht
Damaskus war nach dem Anschlag aber unter massiven internationalen Druck geraten und hatte seine Truppen aus dem Libanon zurückziehen müssen - Truppen, die sich seit 30 Jahren im Libanon aufgehalten hatten. Mit den Soldaten mussten auch die offiziellen Vertreter des syrischen Geheimdienstes ihre Koffer packen. Deren libanesische
Mitarbeiter mussten zurücktreten - unter ihnen die jetzt verhafteten Sicherheitschefs.
Auch nach dem syrischen Abzug kam es zu Anschlägen in Beirut gegen syrien-kritische Personen. So wurden ein Journalist und ein Abgeordneter durch Autobomben getötet, andere Anschläge forderten keine Opfer. Im Juli ereignete sich ein Attentat auf den Interim-Verteidigungsminister Elias Murr, einem als pro-syrisch eingestuften Politiker, der den Vorfall überlebte.
Obwohl nach dem syrischen Rückzug die syrien-kritischen Kräft unter Führung von Saad Hariri - dem Sohn des ermordeten Expremiers - in Parlamentswahlen als Sieger hervorgingen, sind viele Libanesen weiterhin davon überzeugt, dass Syrien nicht aufgehört hat, die Fäden im Nachbarland Libanon zu ziehen.
Syrien hat den Libanon nie als selbstständigen Staat anerkannt, sondern stets als syrische Provinz oder zumindest aber als syrische Interessensphäre betrachtet. Der Argwohn gegenüber Damaskus war denn wohl auch der Hauptgrund dafür, dass man in Beirut mit wachsender Spannung und Beunruhigung der Veröffentlichung des Hariri-Untersuchungsberichts entgegenblickte.
Prominente Flüchtlinge
Das Misstrauen bekam neue Nahrung, als libanesische Stellen eine Reihe von Politikern informierten, es sei eine Namensliste gefunden worden, auf der anti-syrischer Politiker genannt werden und bei der es sich möglicherweise um eine "Hitliste" handelt. Eine Reihe der auf der Liste genannten Politiker - unter ihnen Abgeordnete, aber auch zwei Minister, Drusenführer Jounblat, Hariri-Sohn Saad und der stellvertretende Parlamentspräsident - sind deswegen in den letzten Tagen nach Paris geflogen, um sich dort in Sicherheit zu bringen. Einige von ihnen sprachen gegenüber Beiruter Zeitungen offen davon, dass sie im Zusammenhang mit der Hariri-Untersuchung "Versuche der Destabilisierung" in Beirut befürchten.
Ob diese Gefahr mit den Verhaftungen gebannt ist, muss bezweifelt werden. Denn der Konflikt ist längst kein Konflikt mehr zwischen Libanon und Syrien, sondern auch zwischen verschiedenen libanesischen Gruppen. Die Verhafteten sind ja selbst Libanesen und sie haben Verbündete und politische Freunde im Land - bis hin zum pro-syrischen Präsidenten Emile Lahoud.