"Lebensraum Internet"
14. Januar 2013Für viele Kinder ist eines klar: Ohne Internet ist ein Computer kein richtiger Computer. Eltern kennen das anders: Schließlich haben sie vor nicht allzu langer Zeit an Computern gearbeitet, die noch gar keinen Internetzugang hatten. Für Kinder ist das Netz schon immer da gewesen, so selbstverständlich wie das Wasser aus dem Hahn. Viele Eltern sehen das Internet eher als Medium, dem man mit Vorsicht begegnen muss - schließlich kann einem dort Schlimmes begegnen.
Mit den Vorurteilen skeptischer Eltern möchte das Buch "Netzgemüse - Erziehung und Aufzucht der Generation Internet" aufräumen. Die beiden Autoren Johnny und Tanja Haeusler, selber Eltern zweier Söhne im besten digitalen Nachwuchsalter, finden, dass man Kinder im digitalen Zeitalter behutsam aufziehen sollte - so wie junges Gemüse, das gehegt und gepflegt werden muss. Und so beschreiben sie in ihrem Buch, wie man Kinder für den "Lebensraum Internet" fit machen kann. Nicht indem man Verbote ausspricht, sondern indem man sie machen lässt. Nur eben unter einer vernünftigen Anleitung.
Das Problem vieler Eltern ist, dass sie nicht dauernd kontrollieren können, was ihre Kinder sich im Netz ansehen. Sie wollen ihre Kinder aber auch nicht ständig überwachen. Tanja und Johnny Haeusler zeigen auf 300 Seiten, wie man dieses Problem elegant lösen kann.
Auch die Eltern müssen Internet lernen
Es geht den beiden Autoren nicht nur um digitale Kindererziehung, sondern auch – und das liest sich an vielen Stellen so – darum, netzkritischen Eltern die Scheu vor dem Medium zu nehmen. Denn nur wer den "Feind" kennt, weiß ihn zu bekämpfen – eine uralte Taktik.
Interessierte Eltern sind bei den Autoren in besten Händen. Tanja und Johnny Haeusler sind schon lange im Netz zu Hause. Sie betreiben seit rund zehn Jahren das Grimmepreis-gekrönte Blog "Spreeblick". Außerdem sind sie Mitinitiatoren der großen Berliner Bloggerkonferenz "re:publica". Kurzum: Die beiden wissen, wie das Netz funktioniert.
"Die ganzen Warnmeldungen die wir täglich lesen, gehen uns als Autoren und Eltern irrsinnig auf den Wecker, weil sie verunsicherten Eltern gar nicht helfen," erzählt Johnny Haeusler im "Netzgemüse"-Podcast. "Da hilft es wenig, wenn man ihnen sagt, dass das alles ganz gefährlich sei."
Haeusler: "Wir googeln, unsere Kinder youtuben"
Die beiden Autoren standen nun vor der Frage, wie man ein Buch für Eltern mit internetbegeisterten Kindern schreiben sollte, ohne dass man das Netz ein weiteres Mal von vorne bis hinten erklärt. Ein Internet-für-Einsteiger-Buch sollte das schließlich nicht werden.
So gibt es zwar kurze Beschreibungen der bekanntesten Webdienste, wichtiger aber sind die Tipps, wie man sie am besten nutzt. Von der Google-Recherche über die Wikipedia, von Youtube bis Facebook. Anhand von anschaulichen Beispielen wird gezeigt, wie man mit einfachsten Mitteln die Infos aus dem Netz filtern und verwenden kann:
Stammt diese Seite wirklich vom Popstar persönlich oder ist es die Plattenfirma, die hier ihr Produkt vermarkten möchte? Kann ich diesen Wikipedia-Eintrag wirklich für meine Geschichtshausaufgaben benutzen oder soll ich lieber noch eine weitere Quelle suchen? Was kann youtube eigentlich noch außer lustigen Videoclips? Und was soll ich wirklich auf Facebook preisgeben?
Überzeugungsarbeit mit kritischen Tönen
Die Möglichkeiten, die Tanja und Johnny Haeusler im Buch aufzählen, haben das Potenzial, skeptische Eltern davon zu überzeugen, dass das Internet gar nicht so böse ist, wie immer wieder geunkt wird. Der rote Faden in diesem Buch heißt: "Nehmt das Netz als Teil des Lebens an, nutzt es und profitiert davon!"
An keiner Stelle im Buch gibt es den berühmten erhobenen Zeigefinger, dem meist ein drohendes "Aber…" folgt. Dennoch gibt es auch Passagen, in denen sich die beiden Autoren kritisch mit Themen wie Datenschutz, Pornografie, Onlinesucht, Persönlichkeitsschutz und Urheberrecht auseinandersetzen. Hier werden Eltern aber nicht einfach von zwei Experten entmündigt, sondern auf die Fallen aufmerksam gemacht, die ihnen und ihren Kindern im Netz begegnen können. Wie Eltern damit letztendlich umzugehen haben, wird ihnen hier nicht vorgeschrieben.
Die Haeuslers wollen Eltern für das Medium Internet begeistern und empfehlen einen regen Umgang damit. Kinder sollen ausprobieren und sich austoben. Wie im realen Leben aber sollte die "Verletzungsgefahr" gering sein. So gibt es am Ende des Buches schließlich ausreichend digitale Kindersicherungen. Eine Linkliste findet man allerdings nicht. Dafür muss man die "Netzgemüse"- Webseite besuchen. Schließlich geht es hier ja um Internet.