Die Quote soll's richten
23. Mai 2014Es scheint, dass Frauen auf dem Vormarsch in hohe politische Ämter sind. Aber nur ein Fünftel aller Parlamentssitze weltweit sind von Frauen besetzt. Das Parlament im Ruanda ist mit 63 Prozent Spitzenreiter, wenn es um die Frauenquote in der Politik geht. Doch laut einer Studie der interparlamentarischen Organisation und der UN-Frauenorganisation (UN Women) sieht es in manchen Ländern der Europäischen Union so aus, als würden Männer noch immer das politische Geschehen bestimmen. Und das besonders an der Parteibasis. "Die nationalen Parteien bemühen sich nicht, Frauen in der Politik zu fördern, " kritisiert auch die ungarische Professorin für Politikwissenschaften an der Corvinus Universität in Budapest, Réka Várnagy. Ihre Untersuchungen zeigen, dass Frauen im ungarischen Parlament unterrepräsentiert sind. Dort sind nicht einmal ganze 9 Prozent aller Abgeordneten weiblich. Und Berichte der interparlamentarischen Organisation zeigen, dass das die niedrigste Rate der gesamten Europäischen Union ist. Weltweit Platz 116 von 141 Plätzen. Réka Várnagy prognostiziert für die kommenden ungarischen Parlamentswahlen sogar ein noch schlechteres Ergebnis.
Ein EU-Faktencheck
Doch wie sieht es in anderen EU-Ländern aus? In Italien unter der Regierung von Enrico Letta waren von den 13 Ministerien sechs von Frauen besetzt. Schweden ist derzeit das einzige europäische Land, dessen Regierung mehrheitlich aus Frauen besteht. Sie führen wichtige Ressorts wie das Justiz-, das Verteidigungs- oder das Wirtschaftsministerium.
In der Bundesregierung von Angela Merkel sind von den 15 Bundesministerien fünf durch Frauen besetzt. Sogar das Verteidigungsministerium steht unter der Leitung einer Frau: Ursula von der Leyen. Dabei galt gerade dieses Ressort als Männerdomäne. Auch das konservative Spanien hatte unter dem Sozialisten José Zapatero das sonst männlich konnotierte Verteidigungsministerium an eine Frau abgegeben: Carme Chaćon (April 2008-Dezember 2011). Das Sie war damals sogar schwanger.
Auch so war die Regierung von Zapatero in dem eigentlich konservativen Land eine Ausnahme: Zeitweise waren mehr Ministerien von Frauen besetzt als von Männern. Unter der Regierung des konservativen Mariano Rajoy kam dann ab Dezember 2011 aber wieder die Kehrtwende: Nur noch vier der 13 spanischen Ministerien sind unter weiblicher Leitung. Müssen sich Frauen also noch immer gegen männliche Konkurrenten und gesellschaftliche, konservative Stereotypen durchsetzen?
Parteipolitik ist Männersache
Die Zahl der Frauen in Ministerien ist dabei kein Indikator für die Lage der Frau in der Politik. Denn obwohl sich immer mehr Frauen an der Regierung beteiligen, sind laut der interparlamentarischen Organisation weibliche Abgeordnete in nationalen Parlamenten der EU unterbesetzt. So sind Länder wie Irland, Tschechien, die Slowakei, Ungarn, Bulgarien und Zypern Schlusslichter der EU.
"In vielen Gesellschaften gibt es noch immer die klassischen Geschlechterrollen", sagt Marije Cornelissen, EU-Abgeordnete im Ausschuss für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter. Viele Frauen stoßen in Parteien auf Widerstand. Dafür gibt es viele Gründe. "Es ist aber besonders davon abhängig, ob die Regierungen eher links oder rechts gerichtet sind", sagt Marije Cornelissen. Die "Europäische Volkspartei (kuz: EPP) habe trotz hoher Mitgliedszahlen einen sehr geringen Frauenanteil. Die Grünen hingegen sei eine kleine Fraktion und habe mehr Frauen als Männer. "Gerade in der Politik werden Frauen nicht als so kompetent anerkannt, wie es Männer werden."
Als Ausweg aus diesem Dilemma sieht die ungarische Politikwissenschaftlerin Réka Várnagy nur eins: "In Ungarn könnte eine Quote eine Lösung sein. Denn wenn es keine Quotenregelung gibt, wird es mehrere Generationen dauern, bis diese Vorurteile abgebaut sein werden. Die Parteien sind bezüglich der Gleichstellung von Frauen und Männern nicht sehr offen. Sie geben noch nicht einmal zu, dass die Diskriminierung der Frau ein großes Problem ist", kritisiert Réka Várnagy. In Polen gibt es eine Frauenquote für nationale Parteien. Diese liegt bei 20 Prozent.
Extra Frauenquote für die Politik?
"Ich war immer gegen die Quote in Aufsichtsräten, aber in der Politik brauchen wir eine. Denn wenn es keine Kandidatinnen auf den Listen gibt, dann können auch keine Frauen gewählt werden", sagt Astrid Lulling im DW-Interview. Sie sitzt seit 49 Jahren im Europäischen Parlament. Die Europa-Abgeordnete meint, das Europäische Parlament habe keinen Einfluss auf die nationalen Kandidatenlisten der Parteien. Das Problem sei eine fehlende gesetzlich vorgeschriebene Quote in den betreffenden Ländern. "Wir können das Thema nur diskutieren und den Druck auf die Parteien im EP erhöhen, mehr Frauen auf die Listen zu setzen. Nicht auf die einzelnen Parteien im Land", fügt Marije Cornelissen hinzu.
Bei den Wahlen zum Europäischen Parlament haben Frauen zumindest bessere Chancen als bei den nationalen Wahlen. Hier ist zwar keine gesetzliche Quote vorgeschrieben, aber es besteht der Druck des Europäischen Parlaments, Frauen auf die Kandidatenlisten zu setzen. Ein Teilerfolg für ungarische Politikerinnen: Bei den letzten Wahlen zum Europäischen Parlament waren die ersten drei Kandidaten der sozialistischen Partei Frauen.