Preis für Exilliteratur
17. September 2013"Ich bin ein Mensch, der vermutlich alles in seinem Leben verloren hat - außer der Liebe zur Literatur", sagt Abbas Khider. Diese Liebe hat er als Jugendlicher entdeckt. Zunächst habe er religiöse Texte gelesen und schließlich Literatur. Irgendwann kam Khider dann auf die Idee, selbst zu schreiben. Weil er die Autoren so bewundert hat. Und weil er merkte, dass Literatur "etwas Gefährliches für die Regierung" war.
Gegen Saddam Hussein
Abbas Khider wurde 1973 in Bagdad geboren. Wie viele seiner Generation wollte er etwas gegen die Diktatur von Saddam Hussein unternehmen. Deshalb hat er als junger Mann mit verbotenen Parteien zusammengearbeitet und Flugblätter verteilt. Er sei naiv gewesen, sagt er heute. "Wenn ich gewusst hätte, dass man mich ins Gefängnis stecken würde, hätte ich das wahrscheinlich nicht gemacht. Oder doch. Ich weiß es nicht." Zwei Jahre saß Khider ein. 1996 gelang dann die Flucht nach Amman, es folgte eine jahrelange Odyssee durch den Mittelmeerraum, ohne Papiere, mit Gelegenheitsjobs. Jahre später verarbeitet er diese Erfahrungen in seinem beachtlichen Debüt "Der falsche Inder".
Asyl in Deutschland
Asyl gefunden hat Abbas Khider schließlich in Deutschland. Er studierte Literatur und Philosophie, eignete sich die Sprache mit all ihren Schattierungen an. Bald erhielt er die deutsche Staatsbürgerschaft - und begann zu schreiben. Auf Deutsch. In dieser Sprache, sagt er heute, habe er seine Heimat und seine Freiheit gefunden. Eine Freiheit, die ihm Flügel verleiht. Und die bewundernswerte Kraft, mit Humor und distanzierter Leichtigkeit Romane zu schreiben, die in den Abgründen seiner Heimat angesiedelt sind. Dabei fängt er ganz unaufgeregt den Alltag seiner Protagonisten ein, zeichnet vielstimmige Gesellschaftsbilder.
Er wolle, sagt Khider, die Geschichte der Menschen in der arabischen Welt "so darstellen, wie sie ist", mit Abstand, ohne Hass, aber mit einem menschlichen Auge. Das gelingt ihm in seinem zweiten Roman "Die Orangen des Präsidenten" ebenso souverän wie in dem zuletzt erschienenen "Brief in die Auberginenrepublik". Seine Bücher finden großen Zuspruch, Khider ist bei zahlreichen Literaturveranstaltungen zu Gast. Für sein Schaffen erhielt er Arbeitsstipendien und Förderpreise. Und nun wird er an diesem Dienstag (17.09.2013) in Heidelberg mit dem Hilde-Domin-Preis für Literatur im Exil ausgezeichnet. Ein Preis, der ihm sehr viel bedeutet.
Hilde Domin als Seelenverwandte
Er habe, sagt Abbas Khidern die 2006 verstorbene Hilde Domin immer als seine deutsche Mutter bezeichnet, kenne ihr Werk seit Jahren. Tatsächlich scheint die 1909 unter dem Namen Hilde Löwenstein geborene Heidelbergerin eine Verwandte im Geiste. Auch sie wurde erst im Exil in der Dominikanischen Republik zur Dichterin. Und auch sie hat sich immer als "Botin der Versöhnung" verstanden - nach ihrer Rückkehr in das Nachkriegsdeutschland. Da nannte sich die Gattin des Philologen Erwin Walter Palm längst Hilde Domin, nach dem Ort ihres Exils.
Hilde Domin hat immer an die Kraft des Wortes geglaubt. Und an die Möglichkeit der Verständigung mit den Mitteln der Sprache. Auch für Abbas ist Literatur der Versuch, die Welt besser zu verstehen. "Die Literatur ist mehr als nur Waffe oder Selbstbefreiung. Ich glaube, sie ist eine Art Liebe. Eine Art Traum, eine Art Gedicht, das nie endet."
Seinem Roman "Die Orangen des Präsidenten" hat Khider ein Gedicht von Hilde Domin vorangestellt. Das Versprechen an eine Holztaube mit abgebrochenem Flügel, die die Lyrikerin in den 50er Jahren auf einem Flohmarkt in Madrid entdeckt hatte. Und die ihr über Jahre ein Begleiter war:
"Taube,
wenn mein Haus verbrennt
wenn ich wieder verstoßen werde
wenn ich alles verliere
dich nehm ich mit.
Taube aus wurmstichigem Holz,
wegen des sanften Schwungs
deines einzigen
ungebrochenen Flügels"
Anerkennung als Exilschriftsteller
Der mit 15.000 Euro dotierte Preis "Literatur im Exil" wurde 1992 von der Stadt Heidelberg anlässlich des 80. Geburtstages der Ehrenbürgerin und ersten Preisträgerin Hilde Domin gestiftet. Seitdem wird die Auszeichnung alle drei Jahre an Schriftstellerinnen und Schriftsteller vergeben, die selbst im Exil oder als Nachfahren von Exilanten in Deutschland leben und in deutscher Sprache publizieren. Mit diesem Preis, sagt Abbas Khider, bekomme er als Exilschriftsteller Anerkennung. Das sei ihm wichtig. Denn er lebe ja im Exil. In einem Exil, das er als ein Projekt begreift, als einen fortwährenden Kampf gegen Traurigkeit und Grausamkeiten. Nun, dank des Preises, habe er den Eindruck, mit diesem Projekt auch etwas erreicht zu haben. "Das ist ein sehr schönes Gefühl", sagt Khider.