Serbischer General freigesprochen
1. März 2013Im blutigen Krieg, der die Sozialistische Föderative Republik Jugoslawien Anfang der neunziger Jahre zerriss, rüstete Belgrad immer wieder bosnische und kroatische Serben mit Waffen aus. Für den Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien in Den Haag war dies in erster Instanz der Beweis für Beihilfe zu serbischen Kriegsverbrechen in Sarajevo und Srebrenica, sowie zu einem Raketenangriff auf Zagreb. Perišić, der sich 2005 selbst dem Gericht gestellt hatte, war im Jahr 2011 zu 27 Jahren Haft verurteilt worden. Ein anderes Urteil verkündete nun der Richter Theodor Meron. "Eine schlüssige Interpretation der Beweise ist, dass die Hilfe für die serbische Armee eher den allgemeinen Kriegsanstrengungen diente als den Verbrechen", so begründete er den Freispruch des früheren Armeechefs Jugoslawiens, Momčilo Perišić, am Donnerstag (28.2.2013).
"Eine gute Nachricht aus Den Haag - endlich", kommentierte der serbische Premierminister Ivica Dačić nach dem überraschenden Freispruch für Perišić. Der Freispruch sei wichtig, weil dieser eine Aggression gegen Bosnien, Herzegowina und Kroatien seitens des damaligen serbisch dominierten Rest-Jugoslawiens ausschließe, so Dačić. Der serbische Premierminister und Momčilo Perišić kennen sich schon aus der Zeit, als noch Slobodan Milošević Präsident war. Dačić war damals Sprecher von Milošević; Perišić war von 1993 bis 1998 Chef des Generalstabs der jugoslawischen Armee, die überwiegend aus Serben bestand. Ob Slobodan Milošević selber eine Rolle bei den Kriegsverbrechen spielte, bleibt gerichtlich ungeklärt - Milošević starb 2006 vor Prozessende im Untersuchungsgefängnis des Haager Tribunals.
Gemischte Reaktionen in Zagreb und Sarajevo
"Wir müssen die Entscheidungen des Tribunals respektieren, auch wenn wir persönlich mit den Entscheidungen der Richter nicht einverstanden sind", sagte der kroatische Minister für Kriegsveteranen, Predrag Matić. Matić nahm selber am Befreiungskrieg in Kroatien, der auch als Operation "Sturm" bekannt ist, teil. Damals befreite die kroatische Armee einen Teil der Republik, der von den serbischen Milizen kontrolliert war. Dabei mussten mehr als 200.000 Serben aus Kroatien fliehen. Die Generäle Ante Gotovina und Mladen Markač, die damals kroatische Soldaten angeführt hatten, wurden - wie Perišić - freigesprochen, nachdem sie zunächst in der ersten Instanz zu langen Haftstrafen verurteilt worden waren.
Die Muslime aus Bosnien zeigten sich nach der Freilassung Perišićs entsetzt. "Die Menschen haben die Verbrecher freigesprochen, aber Allah wird sie bestrafen", so Kada Hotić von der Organisation Mütter von Srebrenica. In dieser Stadt wurden im Juli 1995 über 8000 Muslime von bosnischen Serben ermordet. Die Anklage wegen Völkermords in Srebrenica und weiterer Kriegsverbrechen in Bosnien konzentriert sich nun auf zwei Personen: Radovan Karadžić und Ratko Mladić. Karadžić war der politische und Mladić der militärische Anführer der bosnischen Serben. Nachdem die beiden jahrelang auf der Flucht waren, wurden sie in Serbien festgenommen und müssen sich zurzeit vor dem Haager Tribunal verantworten.
Juristische oder politische Entscheidung?
"Das ist eine Epidemie der Freisprüche für die Generäle" - so bezeichnete der bosniakische Vertreter im dreiköpfigen Staatspräsidium Bosnien-Herzegowinas, Bakir Izetbegović, die letzten Entscheidungen aus Den Haag. Izetbegović ist nicht der einzige, der die Freilassungen als eine politische Gleichung ansieht. Die Verschwörungstheoretiker gehen sogar einen Schritt weiter - sie glauben nämlich, dass der Freispruch des serbischen Generals die Regierung in Belgrad motiviere, Kosovo - in Belgrad noch immer "serbische Südprovinz" genannt - als unabhängigen Staat anzuerkennen.
Anderseits betonen Juristen, dass das Tribunal ausschließlich Täter verurteile, die direkt in die Ereignisse eingegriffen hätten. Es sei für internationale Gerichte äußerst schwer die Strippenzieher anzuklagen. "Der Freispruch Perišićs wird großen Einfluss auf das internationale Recht und die Rechtsanalyse haben", so der Berater der Anklage, Frederick Swinnen. Bislang ist noch kein ranghoher ehemaliger jugoslawischer Verantwortlicher für die in Bosnien begangenen Verbrechen Anfang der 1990er Jahre rechtskräftig verurteilt worden. "Es ist interessant, dass man jetzt die jugoslawische Armee fast wie eine humanitäre Organisation betrachtet", sagt die Menschenrechtlerin aus Serbien, Sonja Biserko, ironisch gegenüber der DW. Das Tribunal habe anscheinend vergessen, so Biserko, dass diese von Belgrad aus befohlene Armee bestimmend für den Charakter des Krieges gewesen sei.