Frodeno: "Keine Angst vor dem Fall"
20. Dezember 2015DW: Jan Frodeno, 2015 war Ihr Jahr: Triathlon-Europameister über die Langsdistanz, der Weltmeistertitel über die Mitteldistanz, der WM-Erfolg beim Ironman auf Hawaii und jetzt auch noch die Wahl zu Deutschlands Sportler des Jahres. Kommen Sie aus dem Grinsen überhaupt noch raus?
Jan Frodeno: (Lacht) In der Tat ist mir in den letzten Monaten das Grinsen fast schon festgefroren. Es war ein Wahnsinns-Jahr. Dazu kommt ja noch der Fernsehpreis Bambi, den ich auch noch bekommen habe. Gerade den Ironman auf Hawaii gewonnen zu haben, den wichtigsten aller Triathlon-Wettkämpfe, die Wiege unseres Sports, macht mich stolz. Was das alles mit sich bringt, dieses ganze Drumherum, wird einem erst später richtig bewusst. Dass ich jetzt auch noch als erster Triathlet überhaupt zum Sportler des Jahres gewählt worden bin, freut mich wahnsinnig!
Da prasselt im Moment viel auf Sie ein!
Ja. Seit dem Ironman-Sieg bin ich fast nur noch in der Luft, nur noch unterwegs. Aber ich sehe die Chance, dem Triathlonsport weiterzuhelfen. Deutschland ist eine Triathlon-Nation. Man muss nur mal sehen, wie viele Menschen diesen Sport ausüben. Deswegen nehme ich die ganzen Einladungen an, auch wenn das ein ganz schöner Stress ist. Aber vielleicht schaffe ich es ja auf diesem Weg, Einnahmequellen für uns Triathleten zu erschließen, die uns bisher verwehrt geblieben sind. Wir brauchen diese Aufmerksamkeit.
Dem Ironman hatten Sie lange skeptisch gegenüber gestanden. Was hat Sie zum Umdenken bewogen?
Reisen bildet, kann ich da nur sagen. Als ich auf Hawaii war und mir das Rennen angesehen habe, wusste ich, dass ich eines Tages als Erster über den Alii-Drive (die Zielgerade, d. Red.) laufen will. Hawaii ist einfach ein Mythos, der bekannteste Wettkampf in unserem Sport. Auch wenn der Olympiasieg 2008 sportlich genau so viel wert ist.
Was war denn ihr persönliches Highlight 2015?
Mein persönliches? Dass ich zusammen mit meiner Frau Emma ein Kind erwarte.
Sie gelten als perfekter Triathlet, kommen vom Schwimmen, sind im Radfahren inzwischen weltspitze und im Laufen sowieso. Dazu gelten Sie als hervorragender Taktiker. Was können Sie da noch verbessern?
Es gibt schon ein paar Kleinigkeiten, da gibt es immer wieder etwas. Ich muss immer weiterarbeiten, dran bleiben.
An die Spitze zu kommen, ist schwer, oben zu bleiben ist noch viel schwerer. Haben Sie manchmal Angst vor dem Fall?
Nein, Angst vor dem Fall habe ich nicht. Ich war in meiner Karriere schon ganz unten und habe mich wieder hochgearbeitet. Im Moment genieße ich es einfach. Es hat ja ganz schön lange gedauert, um an die Spitze zu gelangen. Ich hoffe, dass es noch ein paar Jahre gut weiterläuft. Und wenn nicht, wäre es nicht schlimm. Ich bin zufrieden mit dem, was ich erreicht habe, mit dem, was gerade mit mir passiert. Selbst, wenn es jetzt aus irgendeinem Grund plötzlich zu Ende ginge mit dem Leistungssport, mit den Erfolgen, wäre das nicht schlimm. Aber davon gehe ich natürlich nicht aus.
Sie waren Olympiasieger 2008 in Peking. So ein Olympischer Triathlon bedeutet 1:40 Stunden Vollgas. Für einen Ironman brauchen Sie acht Stunden. Viel Zeit um nachzudenken. Stellen Sie sich da ab und zu die Sinnfrage?
Ja, die stelle ich mir tatsächlich. Manchmal möchte man einfach aussteigen und sich in den Schatten setzten. Psychische Stärke ist da sehr wichtig, bei sich selbst zu sein. Aber man kennt das aus etlichen Trainingseinheiten. Wenn ich sonntagmorgens drei oder dreieinhalb Stunden laufe, macht das auch nicht immer Spaß. Da muss man auch durchhalten. Die Psyche spielt schon eine große Rolle.
Deutschland ist seit Jahren eine der führenden Nationen im Langdistanz-Triathon. Ziehen sie aus der nationalen Konkurrenz zusätzliche Motivation?
Nein, eigentlich nicht. Es geht ja nicht darum, in Deutschland die Nummer eins zu sein, sondern sich an internationalen Maßstäben zu messen. Aber ich habe schon Spaß an meinem Privatduell mit Sebastian Kienle (Sieger beim Ironman Hawaii 2014, d. Red.). Das ist eher Frotzelei.
Ihre Frau Emma war 2008 selbst Triathlon-Olympiasiegerin für Australien. Hält es nur eine Triathletin mit einem Sportler aus, der 40 Stunden pro Woche trainiert?
Sie muss schon viel Verständnis mitbringen. Es ist ja nicht nur das viele Training. Dazu kommen die Reisen und andere Verpflichtungen, Sponsorentermine, jetzt auch TV-Auftritte. Aber es ist wie bei Managern in der Wirtschaft auch. Die arbeiten 100 Stunden, und die Frauen kennen es nicht anders, halten ihnen den Rücken frei. Emma kennt die Situation von sich selbst. Das hilft.
Nun werden sie Anfang des neuen Jahres Vater, ihr erstes Kind. Glauben Sie, dass das ihr Training, ihre Einstellung zum Sport ändern wird?
(Lacht) Ich habe gleich gesagt, dass mein Kind immer zwischen 22 und 6 Uhr schlafen muss. Dann klappt das schon mit dem Training. Mal sehen, ob es sich dann auch daran hält...
Jan Frodeno, geboren in Köln, aufgewachsen in Südafrika, lebt zurzeit überwiegend in Spanien. 2008 war er Olympiasieger im Triathlon, 2015 gewann er den Europameister-Titel über die Ironman-Distanz, die Weltmeisterschaft über die Mitteldistanz und den renommierten Ironman auf Hawaii, die Weltmeisterschaft der Langstrecken-Triathleten. Jetzt wurde er von den Sportjournalisten zu Deutschlands Sportler des Jahres gewählt.
Das Interview führte Tobias Oelmaier am Rande der Ehrung zum "Sportler des Jahres" in Baden-Baden.