Kroatien feiert weltmeisterlich
16. Juli 2018Gut drei Stunden nach dem Spiel steht Ljubomir Kalevski immer noch auf dem Balkon des Schriftsteller-Clubs in Zagreb. Er sieht der jubelnden Menge auf dem Ban-Jelacic-Platz zu und kann seine Gefühle kaum in Worte fassen. "Es ist einfach ein einmaliges Erlebnis", so der Exil-Kroate aus Süddeutschland.
Ljubomir hat Kroatien den Rücken gekehrt, weil er in seiner Heimat keine Zukunftsperspektiven sah. Wie viele Kroaten ist er auf der Suche nach einem besseren Job nach Deutschland gekommen. Aber auch Exil-Kroaten aus Kanada, den USA und Österreich wollen an diesem denkwürdigen Abend in Zagreb unbedingt dabei sein. Zwölf Stunden Anreise hat Kalevski dafür in Kauf nehmen. Und am Montag geht es für ihn wieder zurück nach Deutschland – zur Arbeit.
In Kroatien müssen einen Tag nach dem Finale nur wenige arbeiten. Der Regierungschef hatte vor dem Finale die Arbeitgeber aufgerufen, den Angestellten frei zu geben.
Der Fußball eint die Nation
Die Zagreber Innenstadt ist rappelvoll in dieser lauen Sommernacht. Zehntausende Menschen fluten die Straßen mit ihren rot-weißen Karo-Shirts, schwenken kroatische Fahnen, rufen "Hrvatska, Hrvatska" (Kroatien, Kroatien) und singen patriotische Lieder wie "Moja Domovina" ("Meine Heimat").
In den vergangenen Wochen haben sich die Kroaten an den Erfolgen ihrer Nationalmannschaft, die hier nur die "Feurigen" genannt werden, berauscht. Die filigranen Pässe von Luka Modric oder die spektakulären Paraden von Danijel Subasic ließen die politischen Probleme für einen Moment vergessen: Arbeitslosigkeit, Politikverdrossenheit, Massenauswanderung, Korruption - und auch der Prozess gegen Luka Modric wurde ausgeblendet. Zumindest für ein paar Wochen.
Fröhlich und unbeschwert
"Die Nationalmannschaft hat uns gezeigt, wie man kämpft", analysiert Ljubomir Kalevksi. "Unser Problem ist, dass wir nicht die Kraft haben, die richtigen Führungspersonen zu wählen. Vielleicht sind wir zu passiv. Das ist der Grund, warum so viele Leute auswandern."
Es ist schon Mitternacht in Zagreb. Die Menschenmenge ist weiter in den Zrinjevac-Park gezogen. Live-Musik auf der Bühne, prachtvolle Stimmung - und das Bier fließt in Strömen.
Fremde Menschen umarmen sich, prosten sich zu. Ein paar asiatische Touristen staunen am Rande der Feierlichkeiten und rufen selbst zaghaft "Hrvatska, Hrvatska".
Gute Laune ist ansteckend. Es ist die größte Straßenparty seit der Unabhängigkeit. Keiner will nach Hause. Zagreb feiert fröhlich und unbeschwert.