Gauck in Prag: "Herzliche Beziehungen"
5. Mai 2014Bundespräsident Joachim Gauck hat seinen Staatsbesuch in Tschechien zu einem deutlichen Appell im Ukraine-Konflikt genutzt. "Es ist für uns in Europa nicht hinnehmbar, dass mit Drohungen Politik gemacht wird", sagte Gauck in Anspielung auf Russland.
Alle Beteiligten seien aufgerufen, Ruhe zu bewahren und an den Verhandlungstisch zurückzukehren. "Wir wünschen uns eine aktive Politik, die auf Entspannung setzt anstatt auf Zuspitzung", sagte er nach seinem Treffen mit dem tschechischen Präsidenten Milos Zeman in Prag. Explizit an Russland wandte sich Gauck mit der Aufforderung, innerhalb der OSZE produktiv zusammenzuarbeiten.
"Sehr heikle Situation"
Die deutsche Politik suche "mit großem Ernst und letzter Verantwortlichkeit" nach Wegen, die das nationale Interesse der Ukraine schützten und gleichzeitig Verhandlungsmöglichkeiten offen hielten, so Gauck. In Europa gebe es unterschiedliche Positionen zu Sanktionen. Die deutsche Bundesregierung sei hier "in einer sehr heiklen Situation". Einerseits werfe man ihr zu große Nachgiebigkeit wegen ihrer Wirtschaftsverbindungen zu Russland vor, andererseits gebe es das Argument, dass die Verhängung von Sanktionen eine Verhandlungslösung gefährde.
Zeman begrüßte die "zurückhaltende Position" Deutschlands in dem Konflikt. Wirtschaftssanktionen hätten noch nie geholfen. Zugleich dankte er für die deutschen Bemühungen zur Freilassung der festgesetzten OSZE-Beobachter. Darunter war auch ein Tscheche.
Motor und Getriebe
Beide Staatspräsidenten würdigten die engen und herzlichen Beziehungen ihrer Länder. Der tschechische Präsident hob den Kurswechsel seines Landes zu einer europafreundlichen Politik hervor. Wenn Deutschland der Motor der europäischen Integration sei, dann wolle Tschechien als "Getriebe" funktionieren. Das Land werde den Euro einführen, eine Rückkehr zu den "hohlen Phrasen" wie beim Beitritt zur EU vor genau zehn Jahren werde es aber nicht geben.
Bei einem Mittagessen mit Senatspräsident Milan Stech erinnerte Gauck daran, dass mehr als 1000 Jahre gemeinsamer Geschichte Deutschland und Tschechien verbinden. Der "Zivilisationsbruch" durch den von Deutschland begonnenen Zweiten Weltkrieg habe dieses einzigartige Miteinander zerstört. Erst als die Teilung Europas vor mehr als 20 Jahren überwunden wurde, sei ein gutnachbarschaftliches und freundschaftliches Verhältnis wieder möglich geworden.
Besuch in Theresienstadt
Am Dienstag will Gauck zusammen mit Zeman das frühere Konzentrationslager Theresienstadt besuchen. Bei einer Rede in der Karls-Universität wird er auch den Umgang mit der gemeinsamen Geschichte ansprechen. Die Vertreibung von bis zu drei Millionen Sudetendeutschen nach dem Zweiten Weltkrieg hat die bilateralen Beziehungen lange belastet. Dazu sagte Gauck am Montag, die deutsche Erfahrung zeige, dass es Zeit brauche, auch selbstkritische Töne anzuschlagen.
jj/rb (dpa, AFP)