Gioconda Belli: Ein Leben ohne Angst
9. Dezember 2018Könnte man einen Blick auf den Kalender der weltberühmten Autorin werfen - man würde sicher über die vielen Termine staunen. Anfang Oktober nahm Gioconda Belli am renommierten Journalistenfestival Gabriel García Márquez in Kolumbien teil, danach sah man sie auf einem Panel zum Thema "Gewalt in Lateinamerika" in Madrid, wenige Tage später sprach sie öffentlich über Feminismus. Dann nahm sie in Madrid einen Literaturpreis entgegen und warb zwischendurch noch auf Lesungen für ihren neuen Roman "Las fiebres de la memoria". Am 15. November hat sie im Staatstheater Darmstadt den Hermann-Kesten-Preis des deutschen PEN-Zentrums entgegengenommen.
Der Kesten-Preis würdigt jährlich zum sogenannten "Writers-in-Prison"-Tag Persönlichkeiten, die sich in besonderer Weise für verfolgte und inhaftierte Schriftsteller und Journalisten einsetzen. Zu den bisherigen Preisträgern zählen Günter Grass, Anna Politkowskaja und Liu Xiaobo. Die Auszeichnung für Gioconda Belli ist konsequent, da sich die Schriftstellerin seit Jahrzehnten für die Rechte von Frauen und für soziale Gerechtigkeit engagiert.
Gioconda Belli, 1948 in Managua geboren, wuchs in wohlhabenden Verhältnissen auf. In den Siebzigerjahren schloss sie sich der Sandinistischen Befreiungsfront (FSLN) an, einer linksrevolutionären Partei, die dem Regime des Diktators Anastasio Somoza politischen und später bewaffneten Widerstand leistete. In diesen politisch bewegten Jahren begann Belli, ihre ersten Gedichte zu schreiben. Sie unterstützte die FSLN als geheimer Nachrichtenbote sowie propagandistisch auf Reisen in Lateinamerika und Europa. Als es in Nicaragua zu gefährlich für sie wurde, ging sie ins Exil nach Mexiko, später nach Costa Rica. 1976 wurde sie von einem Gericht wegen subversiver Aktivitäten in Abwesenheit zu sieben Jahren Haft verurteilt.
Schriftstellerin von Weltrang
1979, kurz vor dem Sturz des Somoza-Regimes, kehrte Belli in ihr Heimatland zurück und widmete sich der politischen Bildung und ihrer schriftstellerischen Karriere. Ihr erster Roman, "Bewohnte Frau", im Jahr 1988 veröffentlicht, wurde gleich ein Weltbestseller und verkaufte sich in Deutschland in einer Millionenauflage. Belli ist eine der international bekanntesten Schriftstellerinnen Lateinamerikas. Mehrfach mit Preisen ausgezeichnet wurde ihr Werk in mehr als vierzehn Sprachen übersetzt.
Von der Politik und der kritischen Sicht auf die Veränderungen in ihrem Heimatland konnte Belli nie ganz lassen. Zu Beginn der 90er Jahre sagte sie sich enttäuscht von den Sandinisten los. Ihr ehemaliger Mitstreiter Daniel Ortega, nach dem Sturz des Somoza-Regimes Kopf der sandinistischen Regierungsjunta und erster gewählter Staatspräsident Nicaraguas, formte die FSLN nach und nach zu einem Instrument seines immer autoritäreren Machtstrebens um. Von 1985 bis 1990 blieb Ortega Präsident. 2006 wurde er schließlich wiedergewählt. Seit seinem zweiten Amtsantritt wurde er bereits zwei weitere Male im Amt bestätigt, zuletzt 2016.
Einsatz für soziale Gerechtigkeit
Gioconda Belli bezeichnete den zunehmend autoritären und selbstverliebten Führungsstil Daniel Ortegas in Interviews zunächst etwas spöttisch als "Danielismo". Doch mit dem Ausbruch der blutigen Unruhen im April 2018 hat sich Bellis Kritik an den Zuständen in Nicaragua verschärft. "Ich hätte nie gedacht, dass ich noch mal eine Diktatur in Nicaragua erleben würde", sagte sie kürzlich in einem Interview in der spanischen Tageszeitung El País.
In einem Interview mit der DW im Juli 2018 forderte sie Ortega auf, die Repression zu beenden und vorzeitigen Wahlen zuzustimmen. "Wir haben noch nie in der Geschichte unseres Landes eine derartige Repression gegen ein unbewaffnetes Volk gesehen. Das entspricht wirklich nicht den Idealen der sandinistischen Revolution. Daniel Ortega hat das Erbe dieser Revolution längst zerstört und schreibt nun das dunkelste Kapitel in der Geschichte der Sandinistischen Befreiungsfront", sagte sie der DW.
Unermüdlich ist sie auch mit 69 Jahren unterwegs. Fast wie damals in den Siebzigerjahren wirbt sie in Europa und Lateinamerika wieder für ein sozial gerechtes und freies Nicaragua, in dem die Menschen ohne Angst vor ihrer Regierung leben können. Für echte Revolutionäre endet der Kampf scheinbar nie.