Grand Départ als Mutmacher
23. Juli 2017André Greipel schüttelte nach dem unglücklichen Ende einer frustrienden Tour de France genervt den Kopf, Chris Froome ließ auf den letzten Kilometern zum vierten Gesamtsieg mit den Sky-Kollegen Champagner-Gläser kreisen. Mit dem Ende der deutschen Erfolgsserie auf den Champs-Élysées und der Triumphfahrt des britischen Dominators hat die 104. Frankreich-Rundfahrt in Paris ihren Schlussakkord erlebt - drei Wochen nach dem rauschenden Auftakt in Deutschland.
"Super, Platz zwei, na toll", sagte Greipel sarkastisch, nachdem er den "wichtigsten Sprint des Jahres" knapp gegen den niederländischen Sieger Dylan Groenewegen verloren hatte: "Natürlich bin ich nicht zufrieden, ich wollte hier gewinnen." Vor hunderttausenden Zuschauern, darunter als "Fan" der ausgestiegene Marcel Kittel, wurde es nichts mit dem sechsten deutschen Erfolg und Greipels erstem bei der Tour 2017.
Greipel und Martin verfehlten hoch gesteckten Ziele
Auch für Tony Martin war es eine Tour zum Vergessen. Marcel Kittels Freude über fünf Etappensiege endete ebenfalls mit einer Enttäuschung. Während sich Kittel mit seinem Fünferpack in die Rekordbücher sprintete, verdiente sich Christian Knees als verlässlicher Helfer die Dankbarkeit von Gesamtsieger Christopher Froome.
Nach der schwarz-rot-goldenen Radsport-Party beim Grand Départ in Düsseldorf nahm die 104. Tour de France für die deutschen Radprofis einen höchst unterschiedlichen Verlauf. "Wir können wieder sehr, sehr stolz sein auf die deutsche Tour. Nicht nur wegen des Superstarts mit dem Grand Depart in Deutschland", sagte Kittel. "Es war ein super Jahr für den deutschen Radsport. Die Bandbreite war da, es ist nicht nur einer - bei vielen Sprints waren wir mit zwei, drei Fahrern unter den Top 10."
Gemessen an den Ergebnissen fällt die sportliche Bilanz trotz Kittels fünf Etappensiegen insgesamt aber durchwachsen aus. Weltmeister Martin ging in beiden Zeitfahren leer aus und verpasste zum Auftakt das Gelbe Trikot, der sieglose Top-Sprinter Greipel war häufig ein Schatten seiner selbst, Überraschungs-Erfolge durch Ausreißer blieben ebenfalls aus.
Tourstart in Deutschland als Trostpflaster für die Deutschen
Steigende TV-Quoten und der von einem begeisterten Millionenpublikum begleitete Start in Nordrhein-Westfalen dienten aber auch den Enttäuschten unter den 16 gestarteten deutschen Fahrern als Trost. "Der Auftakt in Düsseldorf war ein ganz großes Highlight, das bleibt stehen. Es war wirklich grandios, einmalig", sagte Martin.
Trost brauchte am Ende auch ein schwer geknickter Kittel, obwohl er die bislang beste Tour seiner Karriere fuhr. Fünf Siege holte der 29-Jährige vom Team Quick Step-Floors auf den ersten elf Teilstücken, er knackte den 15 Jahre alten Etappenrekord Erik Zabels und stand kurz vor dem erstmaligen Gewinn des Grünen Trikots - bis ihn ein folgenschwerer Sturz aus allen Träumen riss. Auf der ersten Alpen-Etappe kam Kittel zu Fall und musste vorzeitig aus dem Rennen aussteigen. "Dieser Sturz so kurz vor Paris ist eine große, große Enttäuschung. Aber meine fünf Siege sind und bleiben außergewöhnlich", sagte Kittel.
Erfolge für deutsche Teams
In den Massensprints war er nicht zu schlagen gewesen, auch die deutschen Kollegen verneigten sich vor dieser Leistung. "Marcel hat eingeschlagen wie eine Bombe", schwärmte etwa Nikias Arndt. Der 25 Jahre alte Debütant zählte zu den Gewinnern der Rundfahrt. Als Zweiter der 19. Etappe war ihm ein Etappensieg zwar nicht vergönnt, dennoch trug er als Anfahrer des Australiers Michael Matthews, dem Gewinner des "Maillot vert", maßgeblich zum Erfolg des in Deutschland lizenzierten Team Sunweb bei.
Auch das zweite deutsche Team, Bora-hansgrohe, konnte mit zwei Etappensiegen trotz der Disqualifikation von Kapitän Peter Sagan letztlich zufrieden sein. Das 24 Jahre alte Rundfahr-Talent Emanuel Buchmann aus Deutschland erzielte mit Platz 15 in der Gesamtwertung sein bislang bestes Ergebnis und weckte Hoffnungen auf mehr.
Als unermüdlicher Arbeiter war Christian Knees für Gesamtsieger Chris Froome unverzichtbar. Im Top-Team Sky schuftete der Deutsche an der Spitze des Feldes, leistete unermüdliche Nachführarbeit und verhalf seinem Kapitän so zum vierten Triumph in Paris. "Ich bin mit meinen Leistungen sehr zufrieden. Ich habe das abgeliefert, was das Team von mir erwartet hat", sagte Knees.
og/sw (sid)