Habeck will stärkeres Kartellrecht
13. Juni 2022Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne, im Artikelbild rechts) wirbt für seinen Vorschlag, im Kampf gegen die hohen Spritpreise das Kartellrecht zu verschärfen. Widerstand dagegen ist in der Ampel-Koalition bislang kaum in Sicht. Der Schritt könnte eine Alternative werden, um bestimmte Sondergewinne von Unternehmen abzuschöpfen - etwa bei Mineralölkonzernen. Dies über das Steuerrecht zu machen, wird von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP, im Artikelbild links) blockiert.
Habeck werde die Idee einer Übergewinn-Besteuerung zwar nicht vom Tisch nehmen, da er sie für richtig halte. Mit Blick auf den Widerstand der FDP sagte Habeck aber, die Übergewinn-Besteuerung scheine in der Ampel-Koalition nicht mehrheitsfähig zu sein. Also werde jetzt das Kartellrecht genutzt. "Die Richtung stimmt", kommentierte Lindner den Vorstoß von Habeck für ein schärferes Kartellrecht. "Es ist gut, dass Robert Habeck jetzt auch diesen Ball aufgenommen hat."
Habeck plädiert für Beweislastumkehr
Habeck sagte am Montag im Deutschlandfunk, er wolle ein "Kartellrecht mit Klauen und Zähnen". Dafür müsse dies geändert werden. Schwierig sei in der Praxis, den Nachweis für Absprachen eines Kartells zu erbringen. Deswegen wolle man künftig davon ausgehen, dass es sich um ein Kartell handele, wenn die Wirkung an den Märkten entsprechend sei. "Das ist quasi eine Beweislastumkehr."
Schwierige Beweisführung
Im Kartellrecht gibt es bereits die Möglichkeit, durch wettbewerbswidriges Verhalten erlangte Gewinne oder sonstige Vorteile abzuschöpfen - zugunsten der Staatskasse. Das Kartellamt hat diese Option in der Praxis aber noch nie genutzt. Voraussetzungen dafür sind komplexe Analysen und Berechnungen zu den abzuschöpfenden Summen. Außerdem muss der Nachweis erbracht werden, dass Unternehmen vorsätzlich oder fahrlässig gegen das Kartellrecht verstoßen haben. Hier sollen nun die Hürden sinken.
Unabhängig von nachgewiesenen Verstößen will das Wirtschaftsministerium als letztes Mittel auch eine "Entflechtungsmöglichkeit" schaffen, um verfestigte Märkte aufzubrechen und so für mehr Wettbewerb zu sorgen. Das würde auf eine mögliche Zerschlagung von Konzernen hinauslaufen.
Kritik von arbeitgebernahem Institut
Die Pläne gehen laut dem Direktor des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), Michael Hüther, zu weit. "Eine Argumentation, die auf Gefühlen basiert, geht nicht", sagte er dem Nachrichtenportal t-online. "Marktmacht lässt sich nicht an der Gewinnmarge festmachen." Ähnlich argumentiert die Union als größte Oppositionspartei im Bund: Habecks Pläne nähmen billigend in Kauf, dass die Rechtssicherheit für Firmen ausgehebelt werde, so CSU-Finanzpolitiker Sebastian Brehm. "Unternehmen werden sich künftig zwei Mal überlegen, ob sie noch in Deutschland investieren, weil sie nicht sicher sein können, Opfer einer populistischen Gewinnabschöpfung zu werden."
SPD: Mineralkonzerne sind schamlos
Grünen-Co-Chefin Ricarda Lang sagte dagegen, die Ölkonzerne nutzten den Krieg in der Ukraine aus, profitierten von höheren Preisen und würden den vereinbarten Tankrabatt nicht richtig an Autofahrer weitergeben. Sie machten dadurch "massive Übergewinne". Diese zu besteuern, wäre die einfachste und schnellste Antwort. SPD-Co-Chefin Saskia Esken bezeichnete die Preispolitik der Konzerne als schamlos. Großbritannien, Spanien und Italien gingen bereits gegen solche Übergewinne vor. Änderungen am Kartellrecht seien überfällig.
Die vermutlich erst mittelfristig wirkenden Pläne Habecks könnten eine Alternative zur sogenannten Übergewinnsteuer sein, die Unternehmen stärker in die Pflicht nehmen würde, die aktuell besonders vom Krieg in der Ukraine profitieren. Sie scheine in der Ampel-Koalition nicht mehrheitsfähig zu sein, so Vize-Kanzler Habeck. "Ich weiß nicht, ob sich da noch was bewegt." Finanzminister Lindner fürchtet, dass ein solches Vorgehen der Willkür im Steuerrecht Tür und Tor öffnet.
Seitenhieb auf FDP
Habeck hält trotz der hohen Inflation direkte staatliche Eingriffe in die Preisgestaltung von Firmen nicht für richtig. Das zeige sich beim Tankrabatt, sagte er beim Ostdeutschen Wirtschaftsforum im brandenburgischen Bad Saarow. Diesen hatte in der Ampel-Koalition die FDP durchgesetzt.
Die Mineralölkonzerne geben laut Wirtschaftsministerium aber nur einen Teil der gesenkten Steuer an die Verbraucher weiter, in etwa die Hälfte. Das sei ein moralischer Skandal. "In die Preisgestaltung einzugreifen, ist eigentlich nicht das klügste Instrument", so Habeck.
Der stellvertretende Regierungssprecher Wolfgang Büchner und eine Sprecherin des Finanzministeriums betonten in Berlin, dass der Tankrabatt sehr wohl wirke. Ohne die Steuererleichterung wäre der Preis noch höher. Kanzler Olaf Scholz (SPD) werde alle Vorschläge zum Kartellrecht genau prüfen.
Habeck zufolge wird die Regierung jetzt neue Energie-Lieferquellen erschließen, erneuerbare Energien zügig ausbauen und für mehr Energieeffizienz sorgen. Außerdem müssten Verbraucher und Unternehmen, die besonders unter den sehr hohen Energiepreisen litten, gezielt unterstützt werden. Das könne aber nicht mit der Gießkanne erfolgen.
tko/ bea (rtr, dpa)