Hamas versus Fatah
6. Oktober 2006Um Neuwahlen werde man in den Palästinenser-Gebieten kaum herumkommen, meint der ägyptische Präsident Husni Mubarak. Er hat offenbar die Hoffnung aufgegeben, dass es gelingt, mit Hilfe seiner Vermittler eine Regierung der nationalen Einheit in Ramallah und Gaza zu bilden und damit dem innerpalästinensischen Streit ein Ende zu setzen, der in letzter Zeit - zumindest in Gaza - fast schon zum Bürgerkrieg ausgeartet ist. Trotzdem gibt Mubarak die Hoffnung nicht auf: Seine Unterhändler befinden sich weiterhin im Gaza-Streifen und treffen sich mit beiden Seiten; bisher jedoch ohne jedes greifbare Ergebnis.
Verhärtete Fronten
Es liegt nicht am mangelnden ägyptischen Verhandlungsgeschick, dass man nicht vorankommt. Auch das Öl-Scheichtum Qatar, das sich in letzter Zeit immer häufiger in der Nahost-Politik zu profilieren versucht, hatte keinen Erfolg. Palästinenser-Präsident Mahmud Abbas hielt sich mehrere Tage in Qatar auf, um mit Entsandten des in Damaskus residierenden Hamas-Chefs Chaled Maschaal zu verhandeln. Aber die Fronten blieben hart.
Abbas hatte versucht, die gewählte Hamas-Regierung zu einer großen Koalition zu überreden, in der die gemäßigte Fatah die Rollen übernehmen könnte, zu denen die radikale Hamas nicht bereit ist: In erster Linie, Verhandlungen mit Israel wieder aufzunehmen.
Solche Verhandlungen sind natürlich nur denkbar und möglich, wenn die Hamas wenigstens akzeptiert, was die PLO und dann die erste Palästinenser-Regierung des verstorbenen Jassir Arafat bereits akzeptiert hatten: Israel als Realität anzuerkennen und nicht mehr infrage zu stellen. Internationale Verträge und Abmachungen müssen auch von Nachfolge-Regierungen respektiert werden. Die Hamas aber besteht weiterhin darauf, dass Israel nicht akzeptiert werden dürfe und dass man deswegen auch keine Friedensverhandlungen führen könne, sondern bestenfalls eine langjährige Waffenruhe vereinbaren könnte.
Verheerende Folgen
Das kommt für Israel nicht in Frage, auch nicht für die Europäer und erst recht nicht für die Vereinigten Staaten. Sie alle betrachten die Hamas als Terror-Organisation, reden nicht mit ihren Vertretern und haben seit ihrem Regierungsantritt fast jede Hilfe an die Palästinenser eingestellt - solange diese über Regierungsstellen geleitet wurde. Um davon wieder abzugehen, fordert man die Hamas auf, der Gewalt abzuschwören und Israel anzuerkennen.
In Damaskus werden solche Forderungen empört zurückgewiesen und Ismail Hanija, der eigentlich als gemäßigt betrachtete Hamas-Regierungschef, beugt sich. Nicht nur das: Inzwischen wirft er Abbas sogar vor, im Interesse der USA und Israels zu handeln. Von der Hoffnung, die Probleme mit einer großen Koalition lösen zu können, ist nicht mehr viel übrig.
Abbas hatte in Washington und bei den Vereinten Nationen für die geplante Regierung der nationalen Einheit viel Lob geerntet. Dass es dazu nicht kommt, hat verheerende Folgen für die Palästinenser: Arbeitslosigkeit, ausbleibende Löhne und Gehälter und Versorgungsschwierigkeiten jeder Art machen das Armenhaus Gaza-Streifen zu einem unerträglichen Ort. Besonders, seit dieser infolge der Entführung des israelischen Soldaten Gilad Schalit im Juni täglich israelischen Angriffen ausgesetzt ist.
"Wählen, bis das Ergebnis stimmt"
Wenn nicht israelische Angriffe ihre Opfer fordern, dann sind es jetzt bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen der Hamas und Fatah. Die Zivilbevölkerung hat in beiden Fällen die meisten Opfer zu beklagen. Aber diese Zivilbevölkerung ist bisher noch nicht bereit, der Hamas die Schuld für ihr Elend zu geben. In erster Linie lastet man dies den Israelis an, in zweiter der Fatah von Mahmud Abbas.
So ist denn die Idee vorgezogener Neuwahlen - wie sie von Mubarak und zuvor schon von Abbas ins Auge gefasst sind - ein zweischneidiges Schwert: Meinungsumfragen zufolge könnten die Hamas und Fatah bei Neuwahlen gleichziehen - die Probleme würden also keineswegs gelöst.
Ganz abgesehen davon, dass vorgezogene Neuwahlen nicht gerade ein überzeugendes Beispiel für Demokratie wären - so, wie es schon die internationale Reaktion auf den Hamas-Wahlsieg war: Man wollte immer freie und demokratische Wahlen, war aber nicht mit dem Ergebnis einverstanden. Jetzt Neuwahlen auszuschreiben, könnte den Eindruck vermitteln, es müsse gewählt werden, bis das Ergebnis stimmt.