Immigration bremsen, Afrika stark machen
2. November 2016"Wir sind sehr nah beieinander", versuchte Entwicklungsminister Gerd Müller die unterschiedlichen Positionen in CDU und CSU über den Umgang mit den Flüchtlingen auszuräumen. Auf dem "Deutschlandkongress Bevölkerungsentwicklung und Migration" der Union betonte der CSU-Mann die gemeinsamen Positionen seiner Partei mit Kanzlerin Angela Merkel und ihrer CDU: "Es herrscht Konsens, dass ein Jahr wie 2015 nicht wiederholbar ist."
Rund 890.000 Flüchtlinge kamen vergangenes Jahr nach Deutschland, mehr als je zuvor. Zeitweise verloren Regierung und Behörden in Deutschland erklärtermaßen die Kontrolle über die Zuwanderung.
Um die Einreise von Flüchtlingen aus dem Nahen- und Mittleren Osten sowie Afrika zu bremsen, verschärften zahlreiche europäische Länder ihre Grenzkontrollen - auch innerhalb des Schengenraums. Die Europäische Union bezahlt der Türkei drei Milliarden Euro dafür, dass sie Flüchtlinge bis Ende 2017 an der Weiterreise in die EU hindert, beziehungsweise illegale Einwanderer zurücknimmt. Auch die europäischen Grenzschutz-Agentur Frontex hat mehr Mittel zur Kontrolle der EU-Außengrenzen erhalten.
Motive für Migration nehmen
Alles in allem sieht Gerd Müller die Politik auf einem guten Weg, schließlich seien in diesem Jahr bisher weniger als 200.000 Flüchtlinge nach Deutschland gekommen. Doch damit meint er nicht allein die Rückgewinnung der Kontrolle über die EU-Außengrenzen, sondern - passend zu seinem Ressort - auch die Bekämpfung von Fluchtursachen.
Drei Milliarden Euro stellt sein Ministerium laut eigenen Angaben 2016 für "die Minderung von strukturellen Fluchtursachen, die Unterstützung von Flüchtlingen und die Stabilisierung der Aufnahmeregionen" zur Verfügung. Mit dem Programm "Cash for Work" (dt.: "Geld für Arbeit") etwa organisiert und finanziert die "Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit" GIZ gemeinnützige Arbeit für Flüchtlinge, etwa Syrer im Libanon oder Türkei. Sie bauen sich wetterfestere Behausungen und Wege oder reinigen öffentliche Plätze. "Tausende von Kindern können mit unserer Hilfe zu Schule gehen", so Müller.
Afrika soll sich selbst versorgen
Langfristig aber sieht Entwicklungsminister Müller die Lösung der Migrationsfrage in Afrika: "Der afrikanische Kontinent hat das Potenzial an Boden, um seine Bevölkerung selber zu ernähren. Die entscheidende Herausforderung ist, die Menschen entsprechend zu qualifizieren."
Gerne würde er dafür private Investoren gewinnen. Doch selbst dort, wo kein offener Konflikt herrscht, hemmen Bürokratie, Korruption und rechtliche Unsicherheit massiv die unternehmerische Tätigkeit. Folglich ist der öffentliche Sektor oft der mit Abstand größte Arbeitgeber in Entwicklungsländern .
Voraussetzung für den Aufschwung in Afrika sei deshalb gute Regierungsführung und die Bekämpfung der Korruption. "Überall dort, wo die Regierungen vorausgehen und auf private Initiativen und Stärkung der ländlichen Regionen setzen, haben die Länder zweistellige Wachstumsraten. Aber wir können nicht überall darauf warten." Deshalb versuche man auch, die Zivilgesellschaften zu stärken.
Auch die Arbeitsbedingungen will Müller in Entwicklungsländern verbessern. "Faire Preise, faire Produktion, faire Märkte - am Anfang der Produktketten müssen wir Europäer faire Preise bezahlen." Stattdessen beute man Ressourcen und Menschen aus, so der Minister: "nach einem Wirtschaftsmodell, dass wir in Europa längst überwunden haben und nicht akzeptieren." Einen Lösungsansatz sieht Müller in der Zertifizierung globaler Wertschöpfungsketten. Das heißt: Wer in Afrika produziert, sollte für die Produktion auch europäische Mindeststandards zugrunde legen, wenn er seine Waren in Europa verkaufen will.