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Jazzfest Bonn - modern und kreativ

Conny Paul / Annabelle Steffes16. Mai 2015

Mit einem unvergesslichen Auftritt ist das Jazzfest Bonn zu Ende gegangen: Geigenvirtuose Nigel Kennedy spielte sein Hendrix-Projekt. An zehn Abenden mit jeweils zwei Konzerten gab es einige Überraschungen zu entdecken.

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Nigel Kennedy Jazzfest Bonn
Bild: DW/R. Quesada

Auch beim 6. Jazzfest hielt Festivalleiter Peter Materna an seinem Konzept fest: 20 Konzerte an zehn Tagen mit internationalen Stars der Jazzszene - kombiniert mit nationalen Acts - sorgten für so manche musikalische Überraschung.

Der Auftakt

Wie gewohnt startete das Jazzfest im ausverkauften Post Tower mit einer lebenden Legende, Pat Martino, dem kreativen Individualisten an der Gitarre und seinem Trio. Danach trat die deutsche Sängerin Ulita Knaus auf. Für sie sind Konzerte und Studioarbeit völlig unterschiedliche Dinge. Sie liebe es, live die Energie ihres Publikums zu spüren, sagte sie im Gespräch mit der DW. Das Publikum erlebte mit ihr bewegende Momente.

Pat Martino wurde der Erwartungshaltung seines Publikums gerecht: Der 70-jährige "Gentleman an der Gitarre" überzeugte ab dem ersten gespielten Takt durch seine Professionalität und seine Freude am Zusammenspiel mit seiner Band. Wenn man sich vor Augen führt, dass er in den 1980er Jahren nach zwei Gehirn-OPs Teile seines Gedächtnisses verloren hatte - er konnte sich unter anderem nicht mehr daran erinnern, Gitarrist zu sein - freut man sich um so mehr an seinem fein differenzierten Spiel und an seiner beeindruckenden Technik.

Der Fokus

Ein Festival ist nicht einfach zu planen. Die Veranstalter setzten in diesem Jahr einen Schwerpunkt auf das Instrument Trompete. Mit dem Italiener Enrico Rava und Franco Ambrosetti aus der Schweiz und dem Franzosen Erik Truffaz, der gerne als der Nachfolger von Miles Davis bezeichnet wird, kamen Trompetenstars an den Rhein, die - so unterschiedlich sie auch sind - das Publikum in ihren Bann zogen.

Portrait von Enrico Rava(Foto: Jazzfest Bonn)
Enrico Rava - immer unberechenbarBild: Jazzfest Bonn
Ulita Knaus mit Tupac Mantilla auf der Bühne im Post Tower (Foto: Jazzfest Bonn)
Ulita Knaus mit dem Body-Perkussionisten Tupac MantillaBild: Jazzfest Bonn

Die Überraschungen

Für besondere Überraschungen sorgten unter anderem die beiden jungen Trompeter Frederik Köster und Peter Evans. Das Frederik Köster Quartett schaffte es sogar, mit seinem aktuellen Programm "Die Verwandlung" den Chef des Jazzfestes Peter Materna – ein altgedienter Jazzsaxophonist - zu beeindrucken: "Beim Konzert in der Bundeskunsthalle dachte ich", erzählte Materna begeistert, "die hebeln da gerade alle Gesetzmäßigkeiten aus der musikalischen Umlaufbahn". Was der eine oder andere Zuhörer vielleicht als zu wenig ausgereift beschreiben würde, sieht Materna als gelungenes Experiment, Klänge und Strukturen "morphen zu lassen" - also zu verwandeln. Das kam auch beim größten Teil des Publikums so an: Es feierte die junge Band aus der Nachbarstadt Köln.

Köster setzte elektronische Effekte wie Looper ein und generierte mit seiner Trompete viele mehrstimmige Passagen. Sein Kollege Peter Evans aus New York verzichtete auf solche elektronischen Hilfsmittel bei seinem Konzert in der Brotfabrik in Bonn-Beuel. Er nahm sein Publikum auf eine Reise in ungewohnte Tonlandschaften mit. Blas- und Atemgeräusche wurden zu Stilmitteln, er zitierte Trompeterlegenden und Jazzstile im Einklang mit Bass und Schlagzeug und spielte - so der Eindruck - ein fulminantes Solo in der Länge von rund 60 Minuten. Ein weiteres Beispiel dafür, wie junge Jazzer mit ihrem vielseitigen "Modern Creative"-Stil den Jazz bereichern können.

Frederik Köster spielt beim Auftritt Trompete(Foto: Jazzfest Bonn)
Frederik Köster - verwandlungsfähigBild: Jazzfest Bonn

Die Entdeckungen

Natürlich zählten auch Köster und Evans zu den Entdeckungen manches Jazzfest-Besuchers. Doch es gab auch weitere tolle Musiker mit ihren Programmen aufzuspüren. Das Efrat Alony Trio zum Beispiel. Die in Berlin lebende Sängerin Efrat stammt aus Israel und nennt Joni Mitchell und Billie Holiday als ihre großen Inspirationsquellen. Zusammen mit dem Klarinettisten Oliver Leicht und dem Gitarristen Frank Wingold entstanden auf der Bühne im Haus der Geschichte bislang ungehörte Klangwelten.

Entdecken ließen sich auch die unterschiedlichen Arbeitsweisen der Musiker: Einige erscheinen bis ins kleinste Detail vorbereitet zum Konzert, andere stellen eine Reihe von Stücken zusammen, die sie aufführen wollten, wie der Bonner Flötist Michael Heupel. Er brachte die verschiedensten Instrumente mit und entlockte vor allem der Bass- und Subkontrabassflöte Töne, die an tiefe japanische Trommeln und australische Didgeridoos erinnerten. Er entführte sein staunendes Publikum in die Welt der Meditation.

Aber da waren noch Michael Schiefel und David Friedman. Der mit vielen Preisen ausgezeichnete Sänger und der legändere Vibraphonist aus Berlin musizierten so strukturiert zusammen, dass jeder glauben musste, alles sei komplett durchkomponiert und durcharrangiert. Doch alles, was die beiden in Bonn aufführten, war reine Improvisation. Schiefel und Friedman kennen sich seit vielen Jahren: Der Sänger war David Friedmans Schüler - beide lieben es im Duo zusammenzuspielen. Eigentlich ist jedes Konzert beim Jazzfest ein Höhepunkt. Jeder Konzertbesucher hat die Möglichkeit, seinen eigenen, ganz persönlichen Favoriten zu entdecken und live zu erleben.

(Foto: Jazzfest Bonn)
Peter Evans - innovativBild: Jazzfest Bonn
Nigel Kennedy Jazzfest Bonn
Nigel Kennedy - ganz er selbstBild: DW/R. Quesada

Das Finale

Für einen denkwürdigen Abschluss des Jazzfests sorgte am Samstagabend Geigenvirtuose Nigel Kennedy mit seinem neuen Jimi-Hendrix-Projekt. Schon seit Anfang der 1990er Jahre beschäftigt sich der 58-jährige Brite mit der Musik von Rocklegende Hendrix, er beschränkt sich dabei aber nicht aufs bloße Nachspielen, sondern entwickelt eigene, spannende Interpretationen. Die Originale hörte man manchmal nur schwer und in Ansätzen raus, häufig baute Kennedy seine Songs mit ruhigen, fast zärtlich gespielten Soli auf, bevor dann seine Band einsetzte, die Harmonien aufgriff, steigerte und den Zuschauer in eine gewaltige Klangvielfalt mitriss. "Ich möchte bei meinen Konzerten immer 200 Prozent geben," sagt Kennedy im DW-Interview. "Meine Musik soll nicht "automatisiert" sein und das unterscheidet mich von manchen meiner klassischen Kollegen." Dass seine Auftritte alles andere als "automatisiert" sind, hat er an diesem Abend wieder einmal aufs Neue bewiesen. Er flachste mit dem Publikum und seiner Band herum, zerknüllte nach den drei ersten Stücken die Setlist und machte dann nach seinem ganz eigenen Spielplan weiter. Seine Mitmusiker schien das nicht im Geringsten zu stören, das Zusammenspiel klappte perfekt und man merkte der Band die schiere Freude am Spiel an. Das Publikum war ganz in ihrem Bann und wäre Hendrix noch am Leben, er hätte sich bestimmt über eine solche kreative und mitreißende Interpretation seiner Songs gefreut.


Die DW bietet neun der insgesamt 20 Konzerte als Audiopodcast an. Die Termine finden Sie bei uns und auch auf den Onlineseiten des Jazzfest Bonn.