Kick per Joystick
20. August 2004Bereits seit Tagen liegt lebhaftes Gemurmel über den Messehallen. Denn bevor die eigentliche "Games Convention" gestartet ist, sind sich Spiele-Produzenten und Verleger aus aller Welt in die Arme gelaufen. Die "Developer Conference" war Plattform für stolze Präsentationen, Branchengeflüster, Zukunftsträume und Workshops.
"Es wird immer noch gesagt, dass Deutschland in der Branche ein Entwicklungsland in Europa ist", sagt Hermann Achilles, Geschäftsführer des Branchenverbands VUD. Ein Indikator ist der Export: Laut Statistischem Bundesamt sind nach guten Jahren zuletzt nur noch deutsche Videospiele für 111,5 Millionen Euro ausgeführt worden. Das bedeutet einen Rückgang von 36,9 Prozent gegenüber den ersten sechs Monaten vom Vorjahr. Ein Grund dafür sei etwa, dass die Spiele-Entwickler das Rad jedes Mal neu erfinden wollen, erklärt Tom Putzki, Vorsitzender des Bundesverbandes der deutschen Spieleentwickler G.A.M.E.
Deutsche zu detailverliebt
Wenn Entwickler und Publisher aus aller Welt zusammen kommen, lassen sich Vermarktungsprobleme leichter klären. Auch der US-Spieleentwickler Bob Bates findet die deutschen Spiele zu kompliziert. "Sie verlangen den Konsumenten zu viel ab. Es dauert zu lange, bis man die Spiele versteht", sagt Bates. In den USA würden die Kunden den Spielen nicht mehr als fünf Minuten Bewährungszeit geben. "Wenn sie dann das Spiel nicht verstanden haben und keinen Spaß haben, wird es nicht gekauft", so Bates.
Der Spieleexperte stellte einen großen Mentalitätsunterschied zwischen Deutschland und den USA fest. "In Deutschland scheinen es die Leute gewohnt zu sein, sich viel Zeit zu nehmen, um sich in alles genau hineinzudenken und zu verstehen. In den USA wird eher einfach drauflos gespielt." Deutsche Spieleentwickler sollten bei aller Akribie und Liebe fürs letzte Detail den Spaß nicht vergessen, meinte Bates.
Raubkopien bleiben ein Problem
Trotzdem: "Die Stimmung ist ganz gut - nicht gerade typisch für die Branche," sagt Thomas Dlugaiczyk. Er ist Geschäftsführer einer Entwickler-Schule in Berlin. In der Games Academy entwickeln Nachwuchsdesigner Spiele - angefangen vom handgefertigten Monstermodell über neue Sounds bis hin zum fertigen Produkt.
Dlugaiczyk schaut sich auf der Messe Vorträge und Diskussionen an, um spannende Dozenten für seine Schüler zu finden. Er kennt die Sorgen wegen Verlusten durch Raubkopien - pro Jahr sollen in Deutschland 54 Millionen Datenträger kopiert werden. Der Umsatzverlust der Branche wird allein in Deutschland auf 400 Millionen Euro beziffert.
Europas wichtigste Spiele-Messe
Dennoch: Von Pessimismus ist in Leipzig nichts zu spüren. Hersteller wie Electronic Arts, Ubisoft und Buena Vista können steigende Wachstumszahlen aufweisen und kündigen viele neue Spiele an. Insgesamt 270 Aussteller aus 13 Ländern haben ihre Premieren im Gepäck, davon allein 68 Welt-Erstaufführungen. Das teilte der Geschäftsführer der Leipziger Messe, Josef Rahmen, mit.
Die Großen - Sony, Microsoft und Nintendo - eröffnen derweil den Preiskrieg: Microsoft will Ende August 2004 seine Konsole ab 149,99 Euro anbieten - Sony zieht mit seiner Playstation 2 nach. Damit beginnt bereits jetzt der Kampf um das Weihnachtsgeschäft. Zuvor waren die Geräte für 199 Euro zu haben. Microsoft hat nach eigenen Angaben bislang weltweit insgesamt 15,5 Millionen Videospielsysteme ausgeliefert. Bis Mitte 2005 sollen es 20 Millionen Geräte sein.
Thomas Dlugaiczyk von der Games Academy glaubt, dass die Branche älter geworden ist. Man fasse Mut für neue Projekte vernetze sich stark rund um den Globus. In Deutschland sieht er Aufwind durch die Gründung des ersten Bundesverbandes der Games Entwickler. Zwar gebe es eine Flaute beim Konsum, aber: "Wir waren immer auf den Fachkonferenzen in den USA und Canada, jetzt kommen die Leute auch zu uns", sagt Dlugaiczyk.
Ausprobieren, Pläne schmieden
So ist etwa Jason della Rocca zu Gast, Programmdirektor der International Game Developer Association IGDA. Dieser Verband sucht Entwickler weltweit zusammen zu bringen, Zensur abzuschaffen, Brücken zwischen Wirtschaft und Universitäten zu schlagen.
"Wir hatten 60 Referenten aus 12 Ländern", sagt Linda Fink von der Organisation der Developer Conference, die im Vorfeld der "Games Convention" statt fand. 270 Teilnehmer hätten sich gemeldet, ein Drittel mehr als im vergangenen Jahr - da fand das Familientreffen der Branche zum ersten Mal statt. "Es ist viel Interesse aus Osteuropa da", sagt Fink. "Wir haben Redner aus Russland und Slowenien zu Gast". Diese Länder würden zunehmend räumliche und ideelle Entfernungen zur Branche überwinden.