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Politik

Al-Sisi, Ägyptens neuer Pharao

DW Kommentarbild | Autor Kersten Knipp
Kersten Knipp
20. April 2019

An diesem Wochenende stimmen die Ägypter über eine Verfassungsreform ab, die die Machtfülle des Präsidenten enorm vergrößert. Eine Zustimmung gilt als sicher. Doch die Aussichten sind deprimierend, meint Kersten Knipp.

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Ägypten Poster zur geplanten Verfassungsänderung
Bild: picture-alliance/AP Photo/A. Nabil

Die Plakate hängen in den Straßen, die gewünschte Marschrichtung ist bekanntgegeben, die Bevölkerung braucht beim nun laufenden Referendum nur noch ihr Kreuz zu machen: drei Amtszeiten von je sechs Jahren für den Staatspräsidenten statt der bislang üblichen zwei von je vier Jahren. Das Parlament hat der Änderung des entsprechenden Artikels der ägyptischen Verfassung im Laufe der Woche bereits seinen Segen gegeben, an diesem Wochenende sind die Bürger gefragt.

Wie ihr Urteil ausfallen dürfte, darin gibt es etwa für die ägyptische Zeitung "Al-Shourouk" keinen Zweifel: Die Ägypter werden der Verfassungsänderung zustimmen. Überall in den Straßen hängen Plakate, die für die Reform werben. Diese Plakate stammen wohl entweder von Menschen, die vom Regime profitieren und sich der unausgesprochenen Bitte nach propagandistischer Unterstützung nicht entziehen konnten. Oder von Personen, die es für opportun hielten, sie aufzuhängen, um dem Regime Gewogenheit zu demonstrieren und potentiellem Ärger vorzubeugen. Plakate von Reformgegnern sucht man vergebens.

Deutschland DW Autor Kersten Knipp
DW-Autor Kersten KnippBild: Wilma Knipp

70 Jahre Autoritarismus

Viele Ägypter lassen sich davon allerdings kaum beeindrucken. Sie verachten die unverhohlene Propaganda für Präsident Abdel Fattah al-Sisi in demselben Geist, in dem die jüngeren Ägypter sich derzeit über die Band Massar Egbari lustig machen. Die hatte zuletzt einen Song mit dem Titel "Enzel we Sharek" herausgebracht ("Geh raus und beteilige dich!"), um die Ägypter zur Teilnahme am Referendum zu bewegen. Doch die Abstimmung findet vor einem düsteren politischen Hintergrund statt: Zehntausende von Regimegegnern befinden sich im Gefängnis, Andersdenkende werden verfolgt und gefoltert, die Medien des Landes sind weitgehend gleichgeschaltet. Auch deshalb wollen Teile der Bevölkerung der Abstimmung gleich ganz fernbleiben. Schon die bloße Teilnahme am Referendum ist für sie eine nicht hinnehmbare Konzession an das Regime.

Und so gilt ein "Ja" zur Verfassungsänderung als sicher. Viele Ägypter sind mutlos. Das Land wird seit fast 70 Jahren, seit dem Putsch der so genannten "Jungen Offiziere" 1952, autokratisch regiert. Der Staat bestimmt, wo es lang geht, der ihm angeschlossene Repressionsapparat ist ein wirksames Instrument, den Glauben an eine andere Ordnung klein zu halten.

Attacken auf den Optimismus

Nasser, Sadat, Mubarak, al-Sisi: Die Reihe der Autokraten ist überschaubar, doch dafür haben alle vier ganze Arbeit geleistet. In Ägypten werden sie darum auch spöttelnd "Pharaonen" genannt. Ihre Attacken auf den politischen Optimismus waren samt und sonders erfolgreich, der Glaube an Veränderung, der zu Beginn des neuen Jahrtausends aufkam und im Aufstand von 2011, dem so genannten "Arabischen Frühling", seinen Höhepunkt erklomm, ist unter der derzeitigen Regierung einem zynischen Fatalismus gewichen. Die Massenprozesse gegen Opponenten jeglicher Couleur, der rüde Umgang mit den Konkurrenten während der Präsidentschaftswahlen im vergangenen Jahr, bei denen die wichtigsten Gegenspieler al-Sisis ihre Kandidatur zurückzogen: All dies sind Mittel, den Geist nicht einmal der Revolution, sondern jeglicher Reform wieder zurück in die Flasche zu drängen.

Was bleibt, ist ein Paradox: die vorgebliche Unterstützung der Bevölkerung für eine Verfassungsreform, die die Machtfülle eines Systems garantiert, das jetzt schon viel mächtiger ist, als es dem Land und dessen politischer Kultur gut tut. Ein autoritäres Regime, so scheint es, wird an diesem Wochenende noch autoritärer.

DW Kommentarbild | Autor Kersten Knipp
Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika