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Rettung darf nicht ewig dauern

21. Juni 2016

Das Bundesverfassungsgericht hat das Euro-Krisenprogramm der EZB unter Auflagen gebilligt. Doch das eigentliche Problem ist die dauerhafte Niedrigzinspolitik, meint DW-Redakteur Christoph Hasselbach.

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Münzen in der Luft (Foto: picture-alliance/dpa/M. Müller)
Bild: picture-alliance/dpa/M. Müller

Es war klar, dass das Bundesverfassungsgericht der EZB-Rettungspolitik weder eine klare Absage erteilen noch sie ohne Einschränkungen billigen würde. Denn von Anfang an mussten die Richter dabei formalrechtliche Argumente sowie politische und wirtschaftliche gegeneinander abwägen. Rechtspuristen haben immer gesagt, die Ankündigung von EZB-Chef Mario Draghi, notfalls unbegrenzt Staatsanleihen von überschuldeten Ländern aufzukaufen, laufe auf eine verbotene Staatsfinanzierung hinaus. Andere haben eingewandt, was nütze es, das Mandat der Zentralbank eng auszulegen, wenn dabei die Gemeinschaftswährung vor die Hunde gehe.

Dieser letzte Standpunkt hat sich seit Jahren immer wieder durchgesetzt, gerichtlich und politisch. Zumindest vordergründig gibt die Entwicklung der Staatsschuldenkrise seinen Verfechtern auch Recht. Als EZB-Chef Mario Draghi 2012 vor aller Welt bekanntgab, er werde "alles, was notwendig ist", tun, um den Euro zu retten, beruhigten sich tatsächlich fast von einem Tag auf den anderen die Märkte. Allein die Ankündigung eines notfalls unbegrenzten Anleihekaufs reichte, sie musste bisher nie eingelöst werden. Spekulationen gegen den Euro waren zwecklos geworden. Die Anleihezinsen der überschuldeten Staaten sanken, das hielt sie zahltungsfähig.

Christoph Hasselbach (Foto: DW/M.Müller)
DW-Redakteur Christoph HasselbachBild: DW/M.Müller

Falsche Sicherheit

Die Bank kauft seitdem zwar nicht unbegrenzt, aber in großem Stil Staatsanleihen der Krisenländer. Und damit hat sie zwar diese Staaten über Wasser gehalten und die Währungsunion stabilisiert. Aber sie hat zwei neue Probleme geschaffen, nämlich ein Haftungsrisiko für die Steuerzahler und: Bequemlichkeit. Draghi selbst hat immer wieder gesagt, seine Niedrigzinspolitik könne den Schuldenstaaten nur eine Atempause verschaffen; sie sollten sie nutzen, um sich durch Reformen krisenfest zu machen; die Bank könne der Politik ihre Reformaufgaben nicht abnehmen. Das heißt, die Rettungspolitik war nie als dauerhafte Entlastung, sondern nur als Notmaßnahme gemeint.

Das haben die Regierungen der Krisenländer aber immer gern überhört; und nicht nur sie. Auch der deutsche Finanzminister spart sich wegen der niedrigen, teilweise sogar negativen Zinsen gesund, allerdings auf Kosten der Bürger. Spareinlagen, Pensionsfonds, Lebensversicherungen werfen nichts mehr ab, Bürger werden schleichend enteignet. So gehen die EU-Regierungen sowohl der schwachen als auch der wirtschaftlich starken Staaten eine unheilige Allianz ein und stützen politisch ein Vorgehen der EZB, das nicht ewig so weitergehen kann.

Denn eines ist klar: Draghis damalige Ankündigung mag geholfen haben. Nur darum ging es auch beim Karlsruher Richterspruch, nicht um die laufenden Anleihenkäufe. Doch letztlich ist der größere Zusammenhang der EZB-Rettungspolitik das entscheidende. Als Dauermaßnahme setzt eine Politik des billigen Geldes falsche Anreize und wiegt die Staaten in einer trügerischen Sicherheit. Irgendwann muss wieder die Disziplinierung des Marktes gelten.

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Christoph Hasselbach
Christoph Hasselbach Autor, Auslandskorrespondent und Kommentator für internationale Politik