Europas neuer Rüstungsriese
Im vergangenen November hatte sich Frank Haun, Chef des deutschen Panzerbauers Krauss-Maffei Wegmann (KMW) noch öffentlich beklagt: Man werde wie eine Mätresse behandelt. "Jeder braucht, was wir zu bieten haben, aber niemand möchte mit uns in der Öffentlichkeit gesehen werden." Nun darf die "Mätresse" heiraten. Und zwar einen französischen Partner.
Der Zusammenschluss des deutschen Familienunternehmens mit seinem französischen Konkurrenten Nexter ist die spektakulärste Rüstungsfusion in Europa seit vielen Jahren. Es entsteht ein europäischer Panzer-Riese mit etwa zwei Milliarden Euro Umsatz, rund 6000 Mitarbeitern und deutlich mehr Einfluss und Marktmacht.
Aus wirtschaftlicher Sicht ist die Fusion nachvollziehbar. Politisch hingegen birgt sie Sprengstoff. Denn KMW bringt für den französischen Partner eine problematische Mitgift mit in die Ehe. Es handelt sich dabei um die in Deutschland gültigen strengen Regeln für den Export von Kriegswaffen.
Vorsicht Schlupflöcher!
Der für die Ausfuhrgenehmigungen von Rüstungsgütern zuständige Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel hatte zu Beginn seiner Amtszeit angekündigt, einen restriktiveren Maßstab bei Rüstungsexporten anzulegen als die Vorgängerregierung und hielt Wort. So platzte im vergangenen Jahr ein von KMW geplantes Milliardengeschäft mit Saudi-Arabien, weil die Bundesregierung den Verkauf Hunderter Panzer an Riad nicht genehmigen wollte.
Paris hingegen handhabt Rüstungsexporte in Länder, die weder der NATO noch der EU angehören, wesentlich liberaler als die Bundesregierung. Und auch wenn das Bundeswirtschaftsministerium betont, dass die deutsche Rüstungsexportkontrolle durch die Panzer-Ehe nicht berührt würde, ist die Sorge nicht von der Hand zu weisen, dass mit der Fusion deutsche Regelungen umgangen werden könnten.
Ihren Ursprung hat diese Sorge in einem 1972 unterzeichneten Abkommen. Damals signierten der deutsche Verteidigungsminister Helmut Schmidt und sein französischer Kollege Michel Debré ein Abkommen, das beiden Staaten bei gemeinsamen Rüstungsprojekten weitgehend freie Hand lässt.
Rüstungspolitik auf dem Prüfstand
Noch laufen keine gemeinsamen Produkte beider Unternehmen vom Fließband, und dies wird auch noch eine Weile dauern. Bis dahin muss die deutsche Politik sicherzustellen, dass das 1972 ausgehandelte Schmidt-Debré-Abkommen heute keine Relevanz mehr haben darf.
Falls dies nicht gelingt, würde die Bundesregierung die Exporte deutscher Waffen nicht mehr allein kontrollieren. Für die Rüstungsindustrie würde so ein Präzedenzfall geschaffen, dem eine wahre Fusionslawine folgen könnte. Viele kleinere Rüstungsbetriebe suchen schon seit längerer Zeit Teilhaber, um ihre Abhängigkeit von nationalen Verteidigungsbudgets zu verringern. Die weltweite Nachfrage nach Waffen wird angesichts der Vielzahl an alten und neuen Krisenherden in den kommenden Jahren nicht sinken. Im Gegenteil.
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