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Politik

Freie Fahrt für freie Bürger

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Jens Thurau
13. Februar 2018

Busse und Bahnen in den Städten kostenfrei? Und das im Land der Autofahrer? Kein Karnevalsscherz, sondern ein verzweifelter Versuch der Politik, Fahrverbote für Diesel-Autos zu verhindern, meint Jens Thurau.

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Deutschland Symbolbild Öffentlicher Nahverkehr
Bild: picture alliance/Bildagentur-online/Schoening

Sage noch mal einer, die Politiker seien zu wirklich großen Reformen nicht mehr in der Lage. Schwarz auf Weiß steht in einem Brief, den Umweltministerin Hendricks, Landwirtschaftsminister Schmidt und sogar Kanzleramtschef Altmaier nach Brüssel zu EU-Kommission geschickt haben: Deutschland erwägt einen kostenfreien öffentlichen Nahverkehr. In einigen Städten zumindest. Und wenn nichts anderes mehr hilft, wenn die Luftqualität in einigen deutschen Städten einfach nicht besser werden will.

Was für eine Vorstellung: Einfach rein in die Busse, die S-Bahnen und in die U-Bahn. Ohne bezahlen zu müssen. Kein Zweifel: Da würden dann viele Bürger ihre Autos stehen lassen und die Luft würde besser - langfristig zumindest. Woanders in der Welt gibt es das schon: In Estland etwa, in Belgien, sogar hier und da in Russland. Aber in Deutschland, dem Land der Autobahnen und der PS-starken Luxuslimousinen? Das wäre wirklich mal was Neues.

Der Steuerzahler muss es finanzieren

Zu Recht hat der Verband der Deutschen Verkehrsunternehmen schon mal darauf hingewiesen, dass der "Fahrgastzuwachs" dann wohl enorm wäre. Und neue Bahnen, mehr Personal und vielleicht auch neue Schienenwege Milliarden kosten würden. Geld, dass wohl der Steuerzahler aufbringen müsste. Das sehen die drei Minister aber ganz genauso. Offen bieten sie an, dass Kommunen, die die Ticketautomaten abschaffen wollen, dann von der Regierung unterstützt würden. Nur um zu illustrieren, von welchen Größenordnungen wir hier sprechen: Zurzeit nehmen alle deutschen Städte insgesamt zwölf Milliarden Euro im Jahr mit den Tickets ein. 

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Jens Thurau ist Korrespondent im Hauptstadtstudio

Vor allem aber zeigt die überraschende Initiative aus Berlin, wie groß die Nervosität in den zuständigen Ministerien ist: Jahrelang haben vor allem die zahlreichen Dieselautos in deutschen Städten dafür gesorgt, dass die Grenzwerte für Stickoxide heillos überschritten wurden. In neun Tagen wird das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig darüber entscheiden, ob Fahrverbote rechtmäßig sind, wenn die Werte zu hoch liegen. Und die Chancen der Kläger, dass das so kommt, sind nicht schlecht. Fahrverbote aber will die Regierung - diese, nur noch geschäftsführende, aber sicher auch die nächste - um jeden Preis vermeiden. Und offen hat die EU-Kommission in Brüssel schon signalisiert: Die Schritte, welche die Bundesregierung bislang gegen die schlechte Luft eingeleitet hat, reichen ihr nicht: Also die medienwirksamen Gipfel mit der Autoindustrie im vergangenen Jahr; all die Versprechen, für mehr umweltfreundliche Autos auf deutschen Straßen zu sorgen; die Zusagen, die dreckigen Dieselautos nachzurüsten.

Und was zahlen die Autokonzerne?

Natürlich ist das mit der freien Fahrt im Bus und in der Bahn keine schlechte Idee. Und wer soll das hinkriegen, wenn nicht die Deutschen? Die öffentlichen Verkehrssysteme sind jetzt schon ganz gut, vor allem in den großen Städten. Aber kostenfrei? Wie schnell könnten die Städte sich auf den Ansturm der Fahrgäste aus aller Welt einstellen? Wann wird die Luft wirklich besser? Und wird die Regierung demnächst auch ähnlich radikal gegen die Verursacher - die deutschen Autobauer und ihre Dieselantriebe - vorgehen? Davon ist bislang nicht die Rede.

Früher war der Schlachtruf der deutschen Autolobby: "Freie Fahrt für freie Bürger!" Gemeint war: In Deutschland gibt es keine Tempolimits auf Autobahnen und keine Obergrenzen bei der Motorenstärke. Freiheit, das war der feste Tritt aufs Gaspedal. Und jetzt wird vielleicht der Traum aller Umweltschützer, Radfahrer und Fußgänger wahr: durch die Hintertür. Weil die Politik viel zu lange weggesehen hat, wie viele Schadstoffe im Land der Autofahrer ausgestoßen wurden.

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