Die Siegerehrung nach dem Eishockey-Finale hatte Symbolcharakter: Die "Olympischen Athleten Russlands" schmetterten die russische Nationalhymne. Und tausende Kehlen auf den Rängen unterstützten sie dabei, übertönten fast die olympische Hymne, die aus den Lautsprechern hallte. Nur die olympische Fahne, die da am mittleren Mast hochgezogen wurde statt der weiß-blau-roten, erinnerte an die Sanktionen, die das Internationale Olympische Komitee wegen des erwiesenen Staatsdopings über Russlands Wintersportler verhängt hatte.
Keine Flagge, keine Hymne, keine Nationaltrikots, war die Vorgabe. Aber in der Euphorie über den dramatisch knappen Endspiel-Sieg über das Überraschungs-Team aus Deutschland wollte sich keiner mehr an die Restriktionen halten. Im Gegenteil - die Emotionen mussten raus. Die Erleichterung, der Trotz, der Unmut über den von vielen als Gängelung empfundenen Teilausschluss verdächtiger und belasteter Sportler.
Keine Stringenz
Für die einen war die Strafe, zu der sich das IOC im Dezember nach langem Ringen entschieden hatte, zu mild, für die anderen zu hart. Sportler aus einem Land, das seine Athleten nicht nur kollektiv gedopt sondern auch noch deren Proben bei den Winterspielen 2014 in Sotschi manipuliert hat, haben bei Olympia nichts zu suchen, so das Argument vieler. "Im Zweifel für den Angeklagten", "Dialog statt Ausschluss", "keine Sippenhaft", forderten die Gegner einer harten Strafe. Herausgekommen ist eben jener zweifelhafte Kompromiss.
Immerhin 169 russische Athleten durften nach Südkorea reisen. 169 Athleten, auf Einladung des IOC. Die Auswahlkriterien wurden nie richtig transparent gemacht. Shorttrack-Superstar Wiktor Ahn etwa oder Skilangläufer Anton Schipulin wurden nie des Dopings überführt - eine Teilnahme blieb ihnen dennoch verwehrt.
Nicht nur hier zeigte das IOC keine Stringenz. Die Suspendierung könnte, so hieß es, sogar noch vor der Schlussfeier aufgehoben werden. Wenn alle Vorgaben der Olympier umgesetzt würden, dann dürfte die russische Delegation vielleicht wieder ganz normal teilnehmen. Mit eigener Flagge, in den Nationalmannschaft-Anzügen. Schon diese Ankündigung hatte einen schalen Beigeschmack. Eine Sperre gegen eine Sportnation, die systematisch und flächendeckend dopt, aufgehoben nach nur zwei Wochen?! Vielleicht haben sie beim IOC sogar aufgeatmet, als der Curler Alexander Kruschelnizki und die Bobfahrerin Nadeschda Sergejewa während der Spiele positiv getestet wurden. Endlich griffige Argumente, die Russen weiter zu suspendieren.
Gedopte Russen Einzelfälle
Als das IOC dann nur gut neun Stunden vor Beginn der Schlussfeier bekanntgab, dass die Sanktionen aufrecht erhalten würden, beteuerte die Bewertungskommission, dass diese beiden Dopingfälle keine Rolle spielten. Es handele sich um "individuelle Fälle, es gab keine Hinweise auf ein organisiertes Dopingsystem", hieß es. Das IOC lobte sogar, dass sich das OAR-Team in Südkorea keine Verletzung der Kleiderordnung leistete, dass sich die Zuschauer wohl verhalten hätten und auch die Strafzahlung von 15 Millionen Dollar eingegangen sei.
Dennoch wurde die Suspendierung beibehalten. Begründung: Die Sanktionen würden erst aufgehoben, wenn bestätigt ist, dass alle Dopingtests der "Olympischen Athleten aus Russland" negativ sind. Dann allerdings müsste das IOC noch zehn Jahre warten. So lange werden die die Proben nämlich eingefroren, um sie im Nachhinein kontrollieren zu können mit Verfahren, die es heute noch gar nicht gibt. Wer weiß, wie viele Olympioniken da noch zittern müssen. Nicht nur Russen. Norwegen, die erfolgreichste Olympia-Nation dieser Winterspiele, war ja bekanntermaßen mit 6000 Asthma-Medikamenten nach Pyeongchang gereist. Es bleibt das Misstrauen. Die letzten Jahrzehnte haben gezeigt, dass jede sportliche Leistung hinterfragt werden muss. So gesehen bleibt der Anti-Doping-Kampf des IOC ein Kampf gegen Windmühlen.
Sie können unterhalb dieses Artikels einen themenbezogenen Kommentar abgeben. Wir freuen uns auf Ihre Meinungsäußerung!