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Politik

Selbstverschuldeter Fehlstart

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Max Hofmann
13. Oktober 2019

Vor allem wegen "Goulard-Gate" wird die designierte Chefin der EU-Kommission ihr Amt wohl nicht am 1. November antreten können. Das Problem war vorhersehbar und damit auch leicht zu vermeiden, meint Max Hofmann.

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Frankreich | Luftshow mit Usula von der Leyen und Emmanuel Macron
Nicht mehr so einig wie früher: Ursula von der Leyen und Emmanuel MacronBild: Imago Images/PanoramiC/M. Baucher

Der französische Präsident schien tatsächlich verdutzt, als er in Lyon auf die Ablehnung von Sylvie Goulard durch das Europäische Parlament reagieren sollte. Seine Kandidatin für das wichtige Amt der EU-Kommissarin für Binnenmarkt und Verteidigung war gerade unerwartet deutlich abgewatscht worden. Ursula von der Leyen, so Emmanuel Macron, habe ihm versichert, die Zustimmung der Chefs der größten Fraktionen im EU-Parlament für die Kandidatin erhalten zu haben.

Die Chefs der Sozialdemokraten und der Konservativen dementierten umgehend auf Twitter. Mit ihnen habe niemand über Goulard gesprochen. Aus dem Umfeld von der Leyens war nur zu hören, man wolle die Aussagen Macrons weder bestätigen noch dementieren. Das lässt nur zwei Schlüsse zu: Entweder Macron beziehungsweise die Fraktionsvorsitzenden nehmen es nicht so genau mit der Wahrheit oder die designierte Kommissionschefin hat gar nicht versucht, der französischen Kandidatin den Weg im Parlament zu ebnen.

In jedem Fall zeigt sich hier eine echte Vertrauenskrise.

Menetekel waren sichtbar

Wie dem auch sei, so kann von der Leyen nicht weitermachen. Klar ist die EU vielfältiger und undurchschaubarer als der Politbetrieb in Berlin. Aber wer zuhört, hätte die Menetekel des drohenden "Goulard-Gate" kommen sehen können:

1. Die Französin hat wegen mutmaßlicher Veruntreuung von EU-Geldern ein Verfahren am Hals. Wegen der Sache musste sie sogar ihren Posten als französische Verteidigungsministerin räumen. Warum sollte sie zu belastet für ein Ministeramt sein, aber nicht für den Posten einer EU-Kommissarin? Auf diese Frage gab es für EU-Parlamentarier, die etwas auf sich halten, keine zufriedenstellende Antwort.

2. Emmanuel Macron hatte das Europäische Parlament mit seiner Ablehnung des sogenannten Spitzenkandidaten-Prinzips brüskiert. Das sah vor, dass nur ein Spitzenkandidat der Europawahl auch Kommissionschef werden darf. Monsieur le President ignorierte das jedoch und setzte sich durch. Aber Rache ist ein Gericht, das stets kalt gegessen wird - sagt zumindest ein französisches Sprichwort. Genau dieses Gericht wurde nun bei der Ablehnung Goulards serviert.

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Max Hofmann leitet das DW-Studio Brüssel

3. Der Deutsche Manfred Weber ist nicht nur Chef der größten Fraktion im EU-Parlament, er war auch Spitzenkandidat der konservativen EVP-Fraktion (siehe Punkt 2), also der Parteienfamilie, der auch von der Leyen angehört. Macron gab dem offiziellen Kandidaten von Anfang keine Chance. Damit war er der Auslöser des äußerst unschönen politischen Absturzes Webers, den dieser selbst und seine Fraktion nur schwer verdaut haben. Nun sorgte die EVP im Gegenzug für einen weiteren, äußerst unschönen politischen Absturz: den von Sylvie Goulard. Damit besiegelte sie zugleich auch eine Niederlage für ihre Parteifreundin von der Leyen. 

Von der Leyen braucht Verbündete

Die Ablehnung Goulards ist nicht nur eine persönliche Niederlage für Emmanuel Macron und Ursula von der Leyen, sondern sie kippt gleich einen ganzen Eimer Sand ins Getriebe der EU. Denn der ursprünglich avisierte Starttermin der neuen Kommission - der 1. November - ist nun kaum noch zu halten. Darüber hinaus trat der französische Präsident nach und schob der designierten Kommissionspräsidentin sofort die Schuld in die Schuhe. Das war fast schon unter der Gürtellinie und wird von der Leyen ihren Aufschlag noch weiter erschweren.

Aber Ursula von der Leyen muss nun ihr Teil dazu beitragen, dass so etwas nicht mehr passiert. Dazu gehört, die Gräben ihrer Nominierung zuzuschütten und eine echte, belastbare Beziehung zu den Schlüsselpersonen des EU-Parlamentes aufzubauen. Sie braucht Verbündete und sie braucht ein Netzwerk in Brüssel - das ist allein ihre Verantwortung. Die Mehrheitsbeschaffung wird mit dem Erstarken der Nationalisten und Rechtspopulisten im Parlament ohnehin alles andere als einfach. Derartige Debakel wie bei Goulard kann sie sich einfach nicht mehr leisten. Damit hat sie schon jetzt - noch vor ihrem offiziellen Amtsantritt - einen Teil des Kredits verspielt, den sie bei vielen hatte.