Das erste Fernsehduell im deutschen Fernsehen zwischen den zwei sogenannten "Spitzenkandidaten" der großen Parteien, Manfred Weber (Christdemokraten) und Frans Timmermans (Sozialisten), war nur einem kleinen Teil des europäischen Wahlvolks zugänglich. Die ARD produzierte die Diskussion des deutschen Fraktionschefs und des niederländischen EU-Kommissars nur für den heimischen deutschen Markt. Europaweit treten die beiden nur ein einziges Mal gegeneinander an, kommende Woche in Brüssel für alle öffentlich-rechtlichen Sender in Europa.
Deshalb fällt es den Kandidaten auch schwer, überhaupt bekannt zu werden. Vor dem Fernsehduell in Deutschland wussten nur 25 Prozent der möglichen Zuschauer mit dem Namen Manfred Weber irgendetwas anzufangen. Frans Timmermans ist nur wirklichen Fachleuten bekannt. In den Umfragen führt die CDU/CSU von Manfred Weber mit einigem Abstand vor den Sozialdemokraten. Schwer vorstellbar, dass die rituellen Fernsehauftritte viel an der Stimmenverteilung ändern werden. Denn wählen kann man Frans Timmermans in Deutschland gar nicht, weil es keine europäischen, sondern nur nationale Wahllisten gibt.
Harmonischer Reigen
Timmermans sprach sich für eine Besteuerung von Kohlendioxid in Europa aus. Auch Weber sagte mehr Klimaschutz zu, allerdings verträglich für die deutsche Autoindustrie. Beide wollen ein starkes Europa, beide wollen Frauenrechte stärken und ein gerechtes Steuersystem. Dramatische Unterschiede in den Auffassungen gab zwischen den beiden altgedienten Europa-Funktionären nicht. Timmermans gab sich etwas aggressiver. "Wir müssen unser Verhalten ändern, um die Umwelt zu retten", war sein Credo. Weber gefiel sich in der Rollen des bedächtigen Überlegten. "Bauern fördern, Konzerne beschneiden", war Webers Botschaft.
Die bemüht Europa-freundlichen Moderatoren der Sendung hätten dem Publikum vielleicht sagen sollen, dass keiner der beiden Herren sonderlich gute Chancen hat, tatsächlich auch am Ende Präsident der EU-Kommission zu werden. Timmermans, ein ehemaliger niederländischer Minister, effizienter Kommissar, polyglott, Spross einer Diplomatenfamilie, wäre fachlich sicherlich in der Lage, den Präsidenten der EU-Verwaltung zu geben. Doch seine Parteienfamilie ist zu schwach. Im Europäischen Rat, der das Vorschlagsrecht für den Posten hat, haben die konservativen Regierungschefs die Mehrheit. Schlechte Aussichten also.
Keiner der Kandidaten könnte am Ende siegen
Manfred Weber wird zwar die stärkste Fraktion im Europäischen Parlament anführen, aber an seiner Kompetenz gibt es Zweifel. Er hat noch nie ein Regierungsamt ausgefüllt, er hat noch nie eine Behörde geleitet, spricht mehr schlecht als recht eine Fremdsprache und kann sich der Unterstützung der konservativen Regierungschefs im Rat keineswegs sicher sein. Der siegreiche Spitzenkandidat muss nämlich, um im Parlament auf Vorschlag des Rates bestätigt zu werden, eine Mehrheit organisieren. Diesmal braucht er dazu die Christdemokraten, die Sozialisten und die Liberalen oder Grünen, um gegen die euroskeptische Opposition bestehen zu können. Ob Weber das schaffen kann, daran zweifeln die Auguren in Brüssel.
Wirklich überraschend war an dieser Debatte nur, dass die beiden Mainstream-Kandidaten ihren ärgsten Feind nicht einmal erwähnten: Die Rechtspopulisten, die in vielen Ländern der EU mehr und mehr Proteststimmen einsammeln. Rezepte gegen die Gefahr von rechts? Fehlanzeige sowohl bei Weber als auch bei Timmermans. Schweigen zum wichtigsten Thema. Seltsam.