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Die Permante Hungerkatastrophe

Bernd Riegert (Rom)21. November 2014

Nach der Welternährungs-Konferenz in Rom ist klar: Es gibt kein einfaches Rezept gegen den skandalösen Hunger, der 800 Millionen Menschen im Griff hat. Kleine Schritte sind besser als gar keine, meint Bernd Riegert.

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Somalische Hirten vor verendete Tieren - Foto: Badri Media (EPA)
Bild: picture-alliance/dpa

40 Prozent aller Menschen auf diesem Planeten hungern oder sind mangelhaft ernährt. Dieses skandalöse, ja monströse Problem der Menschheit muss endlich gelöst werden. Darin waren sich alle Teilnehmer der zweiten internationalen Ernährungskonferenz in Rom sofort einig. Im Prinzip herrscht auch über die Ursachen für Hunger und die Wege zu dessen Eindämmung Einigkeit. Nur fehlte es bisher oftmals am Willen zum politischen und wirtschaftlichen Handeln sowohl in den reichen Staaten als auch in den von Unterernährung ausgezehrten Staaten hauptsächlich in Afrika und Südostasien.

22 Jahre nach der ersten Welternährungskonferenz stand das Thema endlich wieder auf der Tagesordnung. Die Vereinten Nationen konnten in Rom - auch wegen des Auftritts des Papstes - ein wenig öffentliches Bewusstsein erzeugen. Warum hat das 22 Jahre gedauert? Hungernde Kinder, unterernährte Frauen und Männer und durch Nahrungsmangel chronisch Kranke sollten doch eigentlich jedes Jahr ganz oben auf der Tagesordnung stehen. Viele Teilnehmerstaaten schickten nur Botschafter oder Stellvertreter nach Rom, die im Fünfminutentakt ihre Reden abgelesen haben. Wirkliches Engagement sieht anders aus.

Lockerer Aktionsplan wird nicht reichen

Immerhin wurde ein umfassender Aktionsplan verabschiedet, der sämtliche Probleme und mögliche Lösungen in über 60 Punkten aufzeigt. Da geht es auch um die Förderung von Kleinbauern, faire Handelsabkommen, Zugang zu Gesundheitsvorsorge und sauberem Wasser, Bildung und Erziehung. Leider fehlt sowohl ein konkreter Zeitplan, bis wann die Ziele erreicht werden sollen. Ebenso wenig ist ein Kontrollmechanismus vorgesehen: Falls eine Regierung sich nicht an den Aktionsplan hält, hat sie keine Konsequenzen zu befürchten. Die Beschlüsse von Rom könnten jetzt von den Vereinten Nationen in die neuen Entwicklungsziele aufgenommen werden, die 2015 festgelegt werden sollen. Bis 2025 könnte dann ein Jahrzehnt gegen den Hunger ausgerufen werden. Viele Agenturen, Behörden, Konferenzen beraten, schreiben Papiere und koordinieren. Manchmal stehen sie sich auch selbst im Weg, beklagte zum Beispiel das Rote Kreuz in Rom.

Bernd Riegert - Foto: Per Henriksen (DW)
DW-Europa-Korrespondent Bernd Riegert

Die Schritte hin zur Bekämpfung des Hungers sind sehr klein und es geht nur langsam voran. Das liegt auch an der ungeheuren Komplexität der permanenten Katastrophe, die so viele Bereiche der Politik, der Wirtschaft und der Gesellschaft in den betroffenen Ländern gleichzeitig berührt. Nur kleinbäuerliche Landwirtschaft wird die armen Massen nicht ernähren können. Die Hungernden brauchen Einkommen, um Essen zu kaufen. Welche Chancen haben sie dazu in Gesellschaften, die schon für Gesunde nicht genug Erwerbsmöglichkeiten haben? Klimawandel, Bürgerkriege, ethnische Konflikte machen kleine Erfolge wieder zunichte oder verschärfen die Probleme. Aufklärung über die richtige Ernährung von Kindern, über Muttermilch und ausreichende Hygiene im Umgang mit Lebensmittel ist nach wie vor unterentwickelt.

Die große Lösung, einen Gesamtplan für die Beendigung der Hunger-Katastrophe, wird es nicht geben - so viel ist nach der Tagung in Rom klar. Es bleiben nur konkrete Projekte auf lokaler und regionaler Ebene vor Ort. Es bleibt die Hoffnung, dass Regierungen irgendwann einsehen, dass Hunger im eigenen Land nicht akzeptabel ist, die wirtschaftliche Entwicklung schwer beeinträchtigt und zu schweren politischen Krisen führen kann.

Paradox: Hunger und Fettsucht gleichzeitig

Die reichen Länder im Norden und die aufstrebenden Schwellenstaaten brauchen übrigens nicht mit Fingern auf Entwicklungsländer zu zeigen. Auch sie haben bereits oder entwickeln ein riesiges Problem mit der Ernährung. Auf sie kommt eine Fettlawine zu. 500 Millionen Menschen sind bereits fettleibig oder adipös, grotesk übergewichtig. Zu dicke Kinder und Jugendliche werden zu einer Last für die Gesellschaft, warnt die Weltgesundheitsorganisation. In manchen Staaten, wie den Vereinigten Arabischen Emiraten, ist bereits die Hälfte aller Erwachsenen fettleibig. Schwellenländer wie Panama kämpfen mit Hunger und Fettsucht gleichzeitig in etwa gleich großen Anteilen der Gesellschaft. Auch in den USA und Europa ersticken die Menschen in Fett, Zucker und Salz. Auf der einen Seite hungern Menschen, auf der anderen Seite essen sie sich krank. Das System scheint völlig aus den Fugen geraten zu sein. Die zweite Ernährungskonferenz der Weltgemeinschaft wird deshalb nicht die letzte gewesen sein. Die nächste sollte nicht erst in 22 Jahren zusammentreten. Ernährung geht uns alle an, täglich.