Umkämpfter Börsenmarkt
15. November 2006"Der Vorstand hat heute beschlossen, den Zusammenschluss mit Euronext nicht weiter zu verfolgen", sagte Reto Francioni, Chef der Deutschen Börse am Mittwoch (15.11.2006) in Frankfurt am Main. "Es gehört zu den Aufgaben eines Managements, zu erkennen, wann etwas keinen Sinn mehr macht." Damit sind der Traum von einer europäischen Superbörse als Gegengewicht zu den Amerikanern und die Pläne der Deutschen Börse vorerst geplatzt.
Er halte eine europäische Lösung noch immer für die beste Option, betonte Francioni. Auch Politiker, Anteilseigner und Aufsichtsbehörden in Europa hätten sich dafür ausgesprochen. Aber alle Bemühungen Brücken zu bauen, seien abgelehnt worden oder ins Leere gelaufen, sagte der Schweizer mit Blick auf seine vielen Zugeständnisse an Euronext, die die Handelplätze Paris, Amsterdam, Brüssel und Lissabon betreibt. Außerdem sei der Aktienkurs der Euronext inzwischen so hoch, dass der Preis die Sache nicht wert wäre. Die Offerte der Deutschen Börse ist an den Aktienkurs gekoppelt.
Euronext bevorzugt New York
Aus Angst vor einer Dominanz der deutlich größeren Deutschen Börse befürwortet Euronext-Chef Jean-François Théodore derzeit stattdessen ein Zusammengehen mit der New York Stock Exchange (NYSE). Die Allianz mit der New Yorker Börse ist jedoch umstritten: Kritiker fürchten, dass dadurch das langfristige Ziel eines einheitlichen europäischen Finanzmarkts gefährdet werden könnte.
Die Aktien der NYSE Group, der Betreiberin der weltgrößten Börse NYSE, befinden sich seit Sommer auf Höhenflug. Die Chancen auf einen transatlantischen Zusammenschluss der NYSE Group und der europäischen Mehrländerbörse Euronext haben sich nach dem Rückzug der Deutsche Börse enorm verstärkt. Die NYSE sieht sich allerdings auch einem immer härteren Wettbewerb der Nasdaq-Börse und anderer elektronischer Handelsplattformen ausgesetzt. Die Nasdaq ist inzwischen mit mehr als 25 Prozent an der London Stock Exchange (LSE) beteiligt. In Chicago entsteht durch den Zusammenschluss der beiden riesigen Warenterminmärkte CME und CBOT der weltgrößte Terminmarkt. Hier werden keine Waren oder Wertpapiere gehandelt, sondern Verträge über künftig zu erfüllende Geschäfte.
Europäische Handelsplattform geplant
Während durch den Rückzug der Deutschen Börse im Bieterstreit um Euronext die Vision einer europäischen Superbörse in weite Ferne gerückt ist, machen sieben Investmentbanken Nägel mit Köpfen. Die Deutsche Bank, Citigroup, Credit Suisse, Goldman Sachs, Merrill Lynch, Morgan Stanley und UBS verkündeten in London Pläne für eine eigene europäische Handelsplattform, die Börsengeschäfte billiger und schneller machen soll. Der Vorstoß ist ein direkter Angriff auf die alteingesessenen europäischen Betreiber.
Deutsche-Börse-Chef Francioni kündigte "Gegenmaßnahmen" gegen die neuen Konkurrenten an. Besonders pikant: Die Deutsche Bank, die bei diesem Vorstoß dabei ist, ist gleichzeitig Aktionär der Deutschen Börse. (kap)