"Kreml will Verwirrung stiften"
15. Februar 2017DW: US-Präsident Trump nennt Berichte über Kontakte seiner Wahlkampf-Mitarbeiter zum russischen Geheimdienst "Nonsens" und "Verschwörungstheorien". Was glauben Sie, wer Recht hat - Trump oder die New York Times?
Stefan Meister: Schwer zu sagen, wer von beiden recht hat. Aber es ist offensichtlich, dass es Kontakte zur russischen Botschaft und zu anderen russischen Akteuren gegeben hat. Das sehen wir ja gerade durch den Rücktritt Flynns. Wie diese Kontakte jetzt detailliert aussahen, kann ich nicht sagen. Auch was die genaue Absicht dahinter war, ist schwer einzuschätzen.
In Frankreich, so vermutet zumindest das Team des Präsidentschaftskandidaten Emmanuel Macron, hat der Kreml die Absicht, den Russland-kritischen Politiker mit einer "Schmutzkampagne" zu diskreditieren. Halten Sie das für möglich?
Wir beobachten, dass russische Medien, soziale Netzwerke, und sicher auch staatliche Akteure versuchen, die Debatten in den EU-Mitgliedsländern zu beeinflussen. Sowohl Deutschland, mit dem Wahlkampf in diesem Jahr, als auch Frankreich sind hier ganz klare Zielländer. In Schlüsselländern der Europäischen Union, aber eben auch in Ländern, in denen rechtspopulistische Kandidaten sehr, sehr gute Chancen haben, beobachten wir erhöhte Aktivitäten von russischen Medien, Trollen und Bots.
Und die haben sich Macron vorgeknüpft?
Dass Macron ein Kandidat ist, der in Moskau doch eher Unbehagen auslöst, ist offensichtlich. Inwieweit da wirklich eine Schmutzkampagne läuft, das müsste man systematisch überprüfen. Aber wir sehen, dass es da einfach sehr viele Aktivitäten gibt und dass gerade Macron attackiert wird, dass über ihn bestimmte Sachen verbreitet werden. Halbwahrheiten, Gerüchte und dergleichen, bei denen man sich fragt: Gibt es da Verbindungen zu Russland?
Sehen sie denn ein klares Ziel des Kremls? Le Pen zur Präsidentschaft in Frankreich verhelfen, Merkel absägen – wäre das eine Wunschvorstellung Putins?
Das ist schwer nachzuweisen. Ich glaube eher, dass es dem Kreml darum geht, Verwirrung zu stiften. In den USA mit Trump, aber eben auch in Frankreich und Deutschland, die Kräfte zu stärken, die das System in Frage stellen. Man will die Wähler verunsichern, die Glaubwürdigkeit von Medien und staatlichen Institutionen unterminieren. Und damit auch die Handlungsfähigkeit der Politik in zentralen Ländern der EU schwächen. Ich glaube, selbst die russischen Dienste denken nicht, tatsächlich so tief in diese Wahlkämpfe eingreifen zu können, dass sie bestimmte Kandidaten zu Gewinnern machen.
Welchen Nutzen hat der Kreml denn von solcherart geschwächten Demokratien im Westen?
Er will der eigenen Bevölkerung zeigen, dass die westlichen Demokratien in einer tiefen Krise steckten, dass es hier Polarisierung im politischen Diskurs gebe, dass es eine Überfremdung gebe. Das stärkt seine eigene Position im Inland. Es geht darum, zu zeigen, dass westliche Demokratien auch international keine Deutungshoheit mehr haben, in Fragen der internationalen Beziehungen, aber auch was Menschenrechte betrifft, was universelle Werte angeht. Gleichzeitig schwächt man so die Handlungsfähigkeit der EU und das hat möglicherweise Auswirkungen auf die Verlängerungen der Sanktionen gegenüber Russland. Das verbessert natürlich Putins Handlungsposition auch mit Blick auf die Ukraine, auf die Anerkennung seines Einflussbereiches im postsowjetischen Raum.
Wie sollten westliche Demokratien darauf reagieren?
Erstens sollte man nicht in Panik verfallen. Unsere Angst vor der Manipulation ist größer als ihr eigentlicher Effekt. Man sollte natürlich genau analysieren, was da läuft. Ich glaube, Transparenz ist extrem wichtig: Dass Fake-News in den Medien, im öffentlichen Diskurs sichtbar gemacht und entlarvt werden.
Und was kann man technisch tun?
Wir müssen technisch aufrüsten. Die Russen sind uns einfach ein, zwei Jahre voraus, was die Manipulationsmöglichkeiten von sozialen Netzwerken betrifft und was Cyberattacken angeht. Wir müssen sowohl vom Know-How her als auch von den technischen Standards her aufrüsten und wir müssen uns besser koordinieren, sowohl in Deutschland selbst zwischen den einzelnen Institutionen, die sich damit beschäftigen, als auch in der EU. Damit nicht weiterhin jeder für sich selbst herumwurschtelt und versucht, darauf zu reagieren.
Dr. Stefan Meister ist Leiter des Robert-Bosch-Zentrums für Mittel- und Osteuropa, Russland und Zentralasien bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP).
Das Interview führte Peter Hille.