Kulturgut-Streit: Mäzen will Sammlung abziehen
3. August 2015
Ein "kulturpolitischer Skandal allerersten Ranges" bahne sich in Potsdam an, schrieb der Oberbürgermeister der Stadt, Jann Jakobs, in einem Brief an Kulturstaatsministerin Monika Grütters. Der Kunstmäzen Plattner habe der Stadt mitgeteilt, dass er beim Inkrafttreten des Kulturschutzgesetzes eine Verlagerung seiner Bilder nach Deutschland nicht mehr verantworten könne, weil die Sammlung auf einen Schlag die Hälfte ihres Wertes verlöre. Das geplante Kulturgutschutzgesetz habe demnach fatale Folgen für Potsdam, so Jakobs. Kulturstaatsministerin Monika Grütters möchte mit dem neuen Gesetz erreichen, dass die Ausfuhr als "national bedeutsam" eingestufter Kunstwerke strenger reglementiert wird.
Plattner, Mitbegründer des Softwareunternehmens SAP, sieht das anders. Museen und Sammler bräuchten die Flexibilität, auch mal ein Werk zu verkaufen, um dafür andere Kunstgüter zu erwerben oder Aufwendungen zu decken, betonte er. In den USA sei die Verunsicherung durch das geplante Gesetz schon jetzt groß.
Unabsehbare Folgen für deutsche Museen
Sollte Plattner seine Drohung wahr machen, würde dem geplanten Kunstmuseum Barberini in Potsdam der Wegfall wertvoller Bestände drohen, denn der gebürtige Berliner gilt als einer der bedeutendsten privaten Kunstsammler der Welt. Nach eigenen Angaben umfasst seine Sammlung rund 250 Bilder des Impressionismus und der Klassischen Moderne, darunter Werke von Munch, Monet, Renoir und Nolde. Der 71-jährige Plattner ist nicht der erste, der diese Regelung kategorisch ablehnt. Schon mehrere zeitgenössische Künstler haben ihre Werke aus deutschen Museen abgezogen, unter anderem Georg Baselitz.
Der Sprecher der Kulturstaatsministerin, Hagen Philipp Wolf, wies die "Bedenken" Plattners am Montag zurück: Sie seien "vollkommen unbegründet". Die Neuregelung ändere nichts an einer seit Jahrzehnten geübten Praxis, so Wolff. Neu an dem Gesetz sei nur eine erforderliche Ausfuhrgenehmigung in den europäischen Binnenmarkt, wenn ein Kunstwerk einen bestimmten Wert und Altersgrenzen überschreite. Eine Expertenkommission stufe ein, welche Werke national wertvolles Kulturgut und für die deutsche Kulturgeschichte identitätsstiftend seien.
Wolff betonte, nach den Reformplänen könnten auch private Leihgeber von Kunstwerken in öffentlichen Sammlungen widersprechen, dass ihre Werke vorübergehend unter Schutz gestellt würden. Zudem ende eine solche Unterschutzstellung automatisch mit dem Auslaufen der Leihfrist. Wolff erklärte, wie andere Bundesländer habe auch Brandenburg die Möglichkeit gehabt, Werke aus Plattners Sammlung auf eine Liste national wertvollen Kulturguts eintragen zu lassen. Dies sei nicht geschehen, daran ändere auch das neue Gesetz nichts.
Bislang liegt nur ein vorläufiger Referentenentwurf vor, der bereits schon überarbeitet wurde. Der Kunsthandel sieht den Entwurf äußerst kritisch, Museen befürworten die Novelle zu großen Teilen. Das Kulturgutschutzgesetz soll den grenzüberschreitenden Handel mit Kunst- und Kulturgütern klarer regeln und für mehr Sorgfalt beim Erwerb von Kunstgegenständen sorgen. Hintergrund ist einerseits der gestiegene Handel mit geraubten Kunstschätzen aus dem Nahen Osten. Auf der anderen Seite soll national wertvolles Kulturgut besser vor Abwanderung ins Ausland geschützt werden.
Engagement privater Mäzene unabdingbar
Potsdams Oberbürgermeister tritt für eine "radikale Veränderung" des Gesetztes ein. Am besten wäre eine Rücknahme, schrieb er an Grütters. Ohne das Engagement international agierender privater Sammler und Mäzene wäre der Kunstbetrieb in den Kommunen längst zum Erliegen gekommen. Der Sprecher der Kulturstaatsministerin hält seine Kritrik für unangemessen. Sie entbehre "jeder sachlichen und inhaltlichen Grundlage".
Das Museum Barberini, dessen Eröffnung für 2017 geplant ist und wo eines Tages Plattners Kunstsammlung hängen soll, wird privat von dem Mäzen finanziert. Das Palais ließ Friedrich der Große (1712-1786) nach dem Vorbild des Palazzo Barberini in Rom errichten. Im Zweiten Weltkrieg wurde der Barockbau zerstört. Plattner finanziert den Wiederaufbau. Doch mittlerweile liebäugelt er damit, seine Sammlung nach seinem Tod dauerhaft in Palo Alto in Kalifornien ausstellen zu lassen. Dem Ort, an dem sich eine Filiale des von ihm mitgegründeten Softwarekonzerns SAP befindet, habe er "viel zu verdanken", erklärte er.
suc, ld/hf (dpa, epd, kna)