Vorerst keine neue Mauer in Berlin
21. September 2018Das Kürzel DAU verweist auf den sowjetischen Physiker und Nobelpreisträger Lew Dawidowitsch Landau (1908-1968). Ein Film über Landau sollte den Kern des Berliner Kunstprojektes bilden. Streit über Khrzhanovskys DAU-Idee entbrannte jedoch über etwas anderes: Vom 12. Oktober an sollte ein ganzes Straßenkarree in Berlin-Mitte mit einer Betonmauer abgeriegelt werden. Besucher sollten sich durch den Kauf eines Visums Zutritt verschaffen, um hinter der Mauer eine fiktive Welt der Abgeschottetheit zu erleben. Geplant waren Filmvorführungen sowie Veranstaltungen etwa der Performerin Marina Abramovic und des Dirigenten Teodor Currentzis.
Dazu wird es vorerst nicht kommen. Berlins Behörden lehnen eine Genehmigung des Projektes ab. Danach haben "technische Probleme und Sicherheitsfragen" den Ausschlag gegeben. In der Kürze der Zeit sei es nicht möglich gewesen, die notwendigen Überprüfungen in Bezug auf Brandschutz und Verkehrssicherheit vorzunehmen. Eigentlich sollte die Entscheidung, in die auch Denkmal- und Grünflächenschutz eingebunden sind, am 28. September verkündet werden.
Die Veranstalter des Kunstprojekts haben verwundert auf den Stopp ihrer Pläne reagiert. Die Informationen an die Veranstalter seien "inhaltlich völlig anders begründet", sagte eine Sprecherin der Deutschen Presse-Agentur am Freitag. "Die Veranstalter prüfen dies nun und werden sich zeitnah äußern", kündigte sie an.
An DAU scheiden sich die Geister
Über den symbolischen Bau einer neuen Mauer in der über Jahrzehnte geteilten Stadt ist zuletzt immer heftiger gestritten worden. Zu den Befürwortern zählen unter anderen Kulturstaatsministerin Monika Grütters und Berlins regierender Bürgermeister Michael Müller, der Filmemacher Tom Tykwer, der Schauspieler Lars Eidinger und die Choreografin und Opernregisseurin Sasha Waltz. Dagegen publizierten prominente Gegner wie Lea Rosh, Marianne Birthler und Christian Thielemann offene Briefe. Vor allem kritisierten sie den Plan, das DAU-Gelände vom Boulevard Unter den Linden bis zum Werderschen Markt mit einer originalgetreuen Replik der Berliner Mauer einzugrenzen.
Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) bedauerte die Absage des Kunstprojekts. "Nur wer den Mut zum Experiment hat, wer also bereit ist, auch vorhandene Grenzen in Frage zu stellen, schafft Fortschritt und ist Avantgarde im besten Sinn", teilte Grütters in Berlin mit. "Deshalb war ich neugierig auf dieses künstlerische Experiment."
Die Initiatorin des Berliner Mahnmals für die ermordeten Juden Europas hingegen, die Publizistin Lea Rosh, zeigte sich erleichtert: "Man kann vieles machen. Aber wir haben die realen Gefängnisse ja noch da: Hohenschönhausen oder Hohenegg. Da kann man hingehen. Da brauchen wir kein künstliches Gefängnis aufzubauen", sagte Rosh im Interview mit der Deutschen Welle.
sd/so/bb (dpa, Berliner Tagesspiegel)