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Politik

Leitkultur-Debatte: So geht Deutsch!

Richard A. Fuchs
30. September 2016

Kurz vor dem Tag der Deutschen Einheit wollen Sachsens CDU und Bayerns CSU eine Debatte anstoßen. Es geht um eine neue Leitkultur - und a bisserl um Patriotismus. Sie wollen falschen Patrioten Paroli bieten.

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Kampagne Tourismus so geht sächsisch Werbung Tanzende Türme Reeperbahn
So geht sächsisch, heißt die Werbekampagne aus dem Freistaat - jetzt haben sie dort Ideen, wie das Deutschsein gehtBild: picture-alliance/dpa/Ch.Charisius

Wie geht Deutschsein? Wem die Lektüre des Grundgesetzes als Antwort noch nicht reicht, der hat jetzt eine weitere Informationsquelle im Angebot. Frei erhältlich im Netz kursiert seit Freitag der "Aufruf zu einer Leit- und Rahmenkultur" für Deutschland. Wenngleich für den ganzen Bund gedacht, wurde der Aufruf doch von zwei Landesparteien verfasst, nämlich der CDU in Sachsen und der bayerischen Schwesterpartei CSU.

In bestem Hochdeutsch liest sich der bayerisch-sächsische Vorstoß als Zehn-Punkte-Papier. Das soll einer durch die Flüchtlingskrise in ihrer Identität verunsicherten Nation "Halt und Orientierung" zurückgeben, schreiben die Verfasser im Vorwort. Johannes Singhammer, der für die CSU auf dem Stuhl des Bundestagsvizepräsidenten sitzt, sagt bei der Vorstellung im völlig überfüllten Bundestagsbüro: "Um den Zusammenhalt in einer Zeit des Umbruchs zu verbessern, braucht es einen aufgeklärten Patriotismus."

Öfter betonen, "was uns wichtig ist"

Wie dieser aufgeklärte Patriotismus aussehen könnte, das formulieren die Initiatoren als eine Art "Hausordnung" für die gemeinsame Republik. Darin liest man: Staat und Religion müssen getrennt bleiben. Die Gleichberechtigung von Mann und Frau muss erhalten werden. Und die jüdisch-christlichen Werte und Traditionen müssen Richtschnur für das gemeinsame Zusammenleben bleiben.

Deutschland PK CDU Sachsen und CSU zu Leit- und Rahmenkultur Johannes Singhammer
"Keine Restesprache" - Johannes Singhammer, CSUBild: picture alliance/dpa/M. Gambarini

Diese und andere Punkte erinnern doch sehr stark an den Wortlaut des 1948 in Bayern erarbeiteten Grundgesetzes. Auf erstaunte Nachfrage von Journalisten, wo denn der Neuigkeitswerte liege, heißt es, die Doppelung sei sogar erwünscht. "Wir haben zu wenig gesagt, was uns selbst wichtig ist", verteidigt Markus Blume das Papier. Der Landtagsabgeordnete hat maßgeblich am neuen Grundsatzprogramm der CSU in Bayern mitgeschrieben und auch jetzt die Feder geführt.

Die Verfasser wollen auf demokratisch sicherem Terrain den Angstmachern der rechtspopulistischen Partei Alternative für Deutschland (AfD) Paroli bieten. Gegen Identitätsverlust setzen sie die "Kraftquelle: Heimat und Patriotismus". Sie wollen die Rechtspopulisten aus dem Parteienspektrum rechts von der Union verjagen. Sie wollen den "bürgerlich-konservativen Alleinvertretungsanspruch" der Unionsparteien zementieren, sagt Blume.

Sein Parteifreund Johannes Singhammer sieht viele Gründe, warum das gerade jetzt, wenige Tage vor den Feierlichkeiten zum Tag der Deutschen Einheit, notwendig sei. Ein wichtiger Punkt ist für ihn, dass die rund 890.000 im vergangenen Jahr zugewanderten Flüchtlinge die deutsche Sprache im öffentlichen Raum respektierten. "Wir müssen verhindern", klagt Singhammer, "dass Deutsch ein Dasein als Restesprache der Zukurzgekommenen fristet".

Deutschland PK CDU Sachsen und CSU zu Leit- und Rahmenkultur
Andrang: Alle sind neugierig, wie Sachsen und Bayern die deutsche Leitkultur erläutern. Bild: picture alliance/dpa/M. Gambarini

CSU-Parteikollege Markus Blume unterstützt ihn mit weiteren Argumenten. Er zitiert eine Studie, nach der zwei Drittel der eingewanderten Muslime Sympathie für die Einführung des islamischen Scharia-Rechts zeigten. "Wenn dem so ist, dann gibt es offensichtlich Erklärungsbedarf, dass bei uns nichts anderes Platz hat als die gesetzte Rechtsordnung auf dem Boden unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung", so Blume vollmundig. Da wolle man Stoppschilder aufstellen.

Der sächsische CDU-Landtagspräsident Matthias Rößler sieht den Zweck des Leitkultur-Papiers vor allem darin, den Zugezogenen die deutsche Staatsräson näherzubringen. Dazu gehörten die Lehren aus dem Holocaust, das Existenzrecht Israels, die deutsche Revolution von 1989 und das friedliche Austragen von Konflikten.

Kritik am Flüchtlingskurs von CDU-Kanzlerin Angela Merkel sei all das nicht, beteuern die Initiatoren gebetsmühlenartig. "Das Papier ist nicht dazu angetan, zu spalten", erklärt Michael Kretschmer, Generalsekretär der CDU in Sachsen. Worte, die ein bisschen seltsam klingen, schaut man sich den Rahmen des bayerisch-sächsischen Vorstoßes genauer an. Schließlich demonstriert hier nur die CDU-Sachsens Einigkeit mit der bayerischen Schwesterpartei. Der Parteivorstand der CDU in Berlin ist ausgeschlossen.

Mancher Kritiker bezweifelt deshalb, dass eine solche bayerisch-sächsische Identitätsfindung bundesweit Gehör findet. Auch deshalb, weil erst vor wenigen Tagen eine sächsische CDU-Bundestagsabgeordnete Furore machte, als sie in völkischer Sprache von einer "Umvolkung" durch die einwandernden Flüchtlinge sprach. Bleibt festzuhalten: Identitätsdebatten brauchen Fingerspitzengefühl.