Li Peng: Tod eines Hardliners
23. Juli 2019Ein Ereignis wird für immer mit dem Namen von Chinas Ex-Ministerpräsidenten Li Peng verknüpft bleiben: Die blutige Niederschlagung der Demokratiebewegung auf dem Platz des Himmlischen Friedens im Juni 1989. Der Hardliner Li gehört zu den Hauptverantwortlichen des Tiananmen-Massakers, bei dem nach konservativen Schätzungen Hunderte Menschen getötet wurden. "Er hat bei den Parteiveteranen und bei Deng Xiaoping (dem faktischen Führer des Landes), massiv Stimmung gegen die Proteste gemacht, damit diese die Bewegung als Gefahr wahrnahmen", sagt die Sinologin Sarah Kirchberger. In der "Volkszeitung", dem Sprachrohr der Partei, betonte Li, dass Maßnahmen ergriffen werden müssten, um die Unruhen zu stoppen. Ein Tag später verkündete er das Kriegsrecht für Peking, was die gewaltsame Niederschlagung der Studenten ermöglichte. "Li Peng hat zwar eine entschiedene Rolle beim 'Tiananmen-Zwischenfall' gespielt, aber die Hauptverantwortung trug Deng Xiaoping", sagt der chinesische Historiker Zhang Lifan.
Adoptivsohn von Zhou Enlai
Li Pengs Leben wurde von Beginn an stark von der Kommunistischen Partei Chinas geprägt. Geboren wurde er am 20. Oktober 1928 in Shanghai als Sohn eines Schriftstellers und frühen Mitglieds der KPCh. Im Alter von drei Jahren wurde er vom späteren Minsterpräsidenten und Außenminister Zhou Enlai adoptiert, nachdem sein leiblicher Vater von der nationalistischen Kuomintang hingerichtet worden war. Wie viele andere Parteikader seiner Generation erhielt er eine technische Ausbildung. 1945, mit 17 Jahren, trat er der KPCh bei. Zwei Jahre später ging er für ein Studium nach Moskau. Dort spezialisierte er sich auf den Bau von Wasserkraftwerken. Nach seiner Rückkehr nach China Mitte der 50er Jahr leitete er verschiedene Energie-Großprojekte. Vermutlich durch seine führende Rolle im für das Land wichtigen Energiesektor, aber auch durch die Stellung seines Adoptivvaters Zhou Enlai, überstand Li Peng die Wirren der Kulturrevolution unbeschadet.
Wirtschaftskonservativer Premier
Der Aufstieg Deng Xiaopings nach dem Tode Maos gab auch Lis politischer Karriere Schwung. Zwischen 1979 und 1983 bekleidete er verschiedene politische Ämter, darunter auch das des Energieministers. 1987 wurde er schließlich Mitglied des Ständigen Ausschusses des Politbüros der KPCh, Chinas engstem Machtzirkel. Nur ein Jahr später ernannte ihn Deng Xiaoping zum Ministerpräsidenten - ein zu jenem Zeitpunkt überraschender Schritt. Denn Li schien Dengs marktwirtschaftliche Vorstellungen nicht zu teilen, er setzte auf mehr Staat und weniger Markt. Aber Deng Xiaopings berühmte "Reise in den Süden" von 1990 setzte das entscheidende Signal für Chinas Aufbruch in den Turbokapitalismus mit chinesischen Merkmalen: Damit waren Li Pengs Pläne zu mehr staatlicher Kontrolle der Wirtschaft Makulatur.
Sein größtes Projekt war der kontrovers diskutierte Drei-Schluchten-Staudamm am Jangtse, den er als sein Lebenswerk betrachtete. Für das Riesenprojekt mussten Millionen Einwohner umgesiedelt werden. Kritiker monieren bis heute Umwelt- und Sicherheitsprobleme. Jedoch wurde der Damm gebaut und die Befürworter sehen in dem Staudamm einen wichtigen Schritt für Chinas wirtschaftliches Wachstum und für die Energieversorgung.
Der "rote Kapitalist"
Nach seiner Amtszeit als Regierungschef wurde Li Peng Vorsitzender des Nationalen Volkskongresses. 2002 zog er sich aus der Politik zurück. Doch sein Einfluss war nach wie vor groß. Große Teile von Chinas Energiesektor werden von Angehörigen Lis kontrolliert. China-Expertin Kirchberger sieht darin sowohl ein Mittel zum Machterhalt, aber vor allem auch zur Bereicherung des Familienclans. Auch im Zusammenhang mit Korruptionsvorwürfen machte Lis Familie mit den Offshore-Firmen seiner Tochter Li Xiaolin Schlagzeilen. "Es ist eigentlich nicht einzusehen, warum ein Funktionär, der ein Staatsunternehmen leitet, dadurch ein hundertfaches Millionenvermögen aufbauen kann", sagt Kirchberger. "Die Gewinne dieser Firmen werden dann auch mit Hilfe ausländischer Banken ins Ausland verschoben und so dem Zugriff des Fiskus entzogen. Das ist Diebstahl an Staatsvermögen."
Li Peng ist am 22. Juli 2019 im Alter von 91 Jahren gestorben. Der "Schlächter vom Tiananmen", wie ihn Regimekritiker nennen, bleibt auch nach dem Tod umstritten. Doch in seine Amtszeit fiel auch der beispiellose Aufstieg der chinesischen Wirtschaft. Dieser wirtschaftliche Erfolg und der geordnete Übergang von der Plan- zur Marktwirtschaft werden ihm heute von großen Teilen der Partei zugutegehalten.