London: Asylsuchende sollen in Ruanda warten
14. April 2022Premierminister Boris Johnson will mit dem Vorhaben Menschen von der gefährlichen Bootspassage durch den Ärmelkanal abhalten und illegale Migration stoppen. Menschen, die unerlaubt nach Großbritannien einreisen, sollen zunächst nach Ruanda ausgeflogen werden und dort auf die Entscheidung über ihren Asylantrag warten. Britische Medien berichten, es sollten nur männliche Asylbewerber nach Ruanda geschickt werden. Wer in Großbritannien auf eine Entscheidung über seinen Asylantrag wartet, soll künftig in streng kontrollierten Auffanglagern untergebracht werden.
"Beträchtliche Abschreckung"
Johnson verteidigte bei einem Besuch in der südostenglischen Grafschaft Kent, in der der wichtige Hafen Dover liegt, die Pläne. Es müsse gewährleistet sein, dass der einzige Weg zum Asyl ein sicherer und legaler sei. Von heute an werde die Royal Navy das operative Kommando über den Ärmelkanal von der Küstenwache übernehmen, mit dem Ziel, dass kein Boot es unentdeckt nach Großbritannien schafft. Das Risiko, eher in Ruanda als im Vereinigten Königreich zu landen, werde mit der Zeit eine "beträchtliche Abschreckung" darstellen.
Zu oft würden Hoffnungen und Träume der Migranten von Kriminellen ausgenutzt. "Diese widerwärtigen Menschenschmuggler missbrauchen die Schutzbedürftigen und verwandeln den Ärmelkanal in einen wässrigen Friedhof, in dem Männer, Frauen und Kinder in seeuntüchtigen Booten ertrinken und in Tiefkühllastern erfrieren", wurde der Premier zuletzt zitiert.
Millionenschwerer Deal
Die britische Innenministerin Priti Patel ist derzeit zu Besuch in Ruanda, um das Abkommen zu unterzeichnen. "Ruanda begrüßt diese Partnerschaft mit dem Vereinigten Königreich, um Asylsuchende und Migranten aufzunehmen und ihnen legale Wege zum Aufenthalt" in dem afrikanischen Land zu bieten, erklärte Außenminister Vincent Biruta.
Das Abkommen mit Ruanda sieht britische Zahlungen an Kigali in Höhe von bis zu 120 Millionen Pfund (144 Millionen Euro) vor. Die Migranten sollen nach Angaben Ruandas "in Gemeinden im ganzen Land integriert werden". Es solle ihnen ermöglicht werden, "sich dauerhaft in Ruanda niederzulassen, wenn sie sich dafür entscheiden".
"Unethisch und erpresserisch"
Menschenrechtler und die Opposition haben empört auf das Vorhaben der britischen Regierung reagiert, Flüchtlinge nach Ankunft nach Ruanda zu fliegen und dort auf ihre Asylentscheidung warten zu lassen. Die Organisation Detention Action kritisierte, den nach Ostafrika geschickten Männern drohe "wahrscheinlich eine unbefristete Inhaftierung unter einer Regierung, die für die gewaltsame Verfolgung Andersdenkender berüchtigt ist". Die Labour-Partei nannte die Pläne von Premierminister Johnson "undurchführbar, unethisch und erpresserisch".
Johnson und vor allem Innenministerin Patel stehen wegen der "small boat crisis", wie die illegale Migration in Großbritannien genannt wird, in ihrer Konservativen Partei erheblich unter Druck. Obwohl sie versprochen hatten, die Zuwanderung mit dem Brexit erheblich zu beschränken, erreichen nach wie vor Tausende Menschen mit kleinen Booten über den Ärmelkanal von Frankreich aus die britische Küste. Die Überfahrt ist aufgrund des starken Schiffsverkehrs und tückischer Strömungen riskant, oft sind die Boote der Migranten untauglich. Immer wieder kentern Boote und Migranten ertrinken.
Patel versucht mit radikalen Vorschlägen zur Eindämmung der Migration, die Hardliner in ihrer Partei zu besänftigen. So brachte sie ins Gespräch, dass die Küstenwache die Schlauchboote der Flüchtlinge auf offener Seite zurückdrängen könne. Auch über weit entfernte Auffanglager für Asylsuchende war immer wieder diskutiert worden.
Auch Dänemark will Asylprozess auslagern
Im vergangenen Sommer hatte bereits Dänemark ähnliche Pläne verkündet. Ein im Juni verabschiedetes Gesetz sieht vor, dass Asylbewerber nach ihrer persönlichen Registrierung an der dänischen Grenze in ein Aufnahmezentrum außerhalb der Europäischen Union gebracht werden. Nur wenige Ausnahmen davon sind vorgesehen, etwa bei schweren Erkrankungen.
Die Pläne stießen damals beim UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR und der EU auf Kritik. Mit Ruanda unterzeichnete die dänische Regierung eine Absichtserklärung über die Zusammenarbeit im Bereich Asyl und Migration.
qu/fab (dpa, afp, rtr)