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Lulas letzter Samba

Astrid Prange2. September 2015

Jetzt ist es raus: Inmitten der Regierungskrise von Staatspräsidentin Dilma Rousseff hat Ex-Präsident Luiz Inácio "Lula" da Silva erklärt, er könne sich eine erneute Kandidatur bei der nächsten Wahl 2018 vorstellen.

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Lula gestikuliert am Rednerpult Foto: LAV
Bild: LAV

Seit Tagen debattiert das Land über die vagen Worte von Lula: "Ich kann nicht behaupten, dass ich Kandidat bin, aber ich kann es auch nicht ausschließen", hatte er am vergangenen Wochenende gegenüber einer Radiostation im brasilianischen Bundesstaat Minas Gerais erklärt.

Und dann fügte er noch einen entscheidenden Satz hinzu: "Wenn die Opposition meint, die PT sei am Ende und sie könne gewinnen, ist eines sicher: Ich ziehe in den Wahlkampf und werde darauf hinarbeiten, dass die Opposition die Wahlen nicht gewinnt."

Lula und immer wieder Lula. Nicht nur in der von ihm mitbegründeten Arbeiterpartei PT gilt der 69-Jährige als politischer Heilsbringer. Auch bei der brasilianischen Bevölkerung genießt der ehemalige Gewerkschaftsführer den Ruf, politische Wunder zu vollbringen.

Rousseff und Merkel Foto: DW/M. Estarque
Rousseffs Stern sinkt seit langem, daran konnte auch der Merkel-Besuch vor zwei Wochen nichts ändern.Bild: DW/M. Estarque

Dilma, nein danke!

Ein "politisches Wunder" könnten Brasiliens amtierende Präsidentin Dilma Rousseff und ihre Arbeiterpartei PT gerade gut gebrauchen. Nach der jüngsten Umfrage des Meinungsforschungsinstitutes "Datafolha" bewerten nur acht Prozent ihre Regierung als gut oder sehr gut. Die PT verlor ebenfalls an Beliebtheit. Ihre Zustimmungswerte rutschten zwischen März 2013 und August 2015 von 29 Prozent auf neun Prozent ab.

"Lulas Ankündigung verschafft der PT eine Atempause", meint Felix Dane, der bis Ende August das Büro der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) in Brasilien leitete. "Statt über die Krise zu reden, debattieren jetzt alle nur noch über die mögliche Kandidatur von Lula."

Schon seit Jahren wird über ein Comeback des charismatischen Politprofis gemunkelt. Bereits bei den Präsidentschaftswahlen im Oktober 2014 gab es in seiner Partei viele Mitglieder, die eine erneute Kandidatur Lulas befürworteten.

Doch Lula winkte ab und unterstützte stattdessen seine Protagonistin Dilma Rousseff. Es schien, als wollte er seinen Mythos als Sozialrevolutionär pflegen, der mit seiner Politik Millionen von Menschen aus der Armut befreit hat. Auch seine Krebserkrankung schien ihn von einem neuen politischen Abenteuer zurückzuhalten.

Mythos Lula

Doch die Gerüchte über seine Rückkehr in die Regierung hielten sich hartnäckig. "Wenn Rousseff scheitern sollte und vorzeitige Neuwahlen notwendig wären, dann würde der Ruf nach Lula immer lauter", orakelte schon im Februar 2015 der Kolumnist Juan Arias in der spanischen Zeitung "El País". Lula verfüge immer noch über große Glaubwürdigkeit, und zwar sowohl bei ärmeren Bevölkerungsschichten als auch in Wirtschaftskreisen.

Auch Brasilienkenner Felix Dane betrachtet Lula als Ausnahmetalent. "So einen charismatischen Typ hat keine andere Partei", erklärt er anerkennend. "Er ist der Pelé der brasilianischen Politik, tanzt Samba mit allen Parteien und schafft es immer wieder, die Karten neu zu mischen."

Dane ist sich sicher, dass Lula die aktuelle politische Blockade im brasilianischen Kongress hätte verhindern können. Im Senat und im Abgeordnetenhaus bestimmen zurzeit die Präsidenten, die der Koalitionspartei PMDB angehören, die Agenda. Parlamentspräsident Eduardo Cunha hat mit der Regierung Dilma gebrochen und ist mittlerweile zu ihrem größten politischen Gegner aufgestiegen.

Favela vor Hochhaussilhouette Foto: picture-alliance/dpa
Gegensätze in Sao Paolo: Die Regierung hat im Sozialbereich Ausgaben gekürzt.Bild: picture-alliance/dpa

Sparen bei Sozialausgaben

Doch mittlerweile scheint auch Lula zu dämmern, dass seine Rückkehr als Retter des Vaterlandes nicht einfach wäre. Bei einer parteiinternen Veranstaltung am 1. September in der brasilianischen Industriestadt São Bernardo do Camposo erklärte er, dass die PT sich darüber klar sein müsse, Fehler begangen zu haben. "Wir müssen uns fragen, ob wir wirklich das umsetzen, was wir uns vorgenommen haben", so Lula.

Die Bemerkung wurde von vielen PT-Anhängern nicht als direkte Kritik an der Partei, sondern indirekte Kritik an Rousseff gedeutet. Denn die Regierung plant ausgerechnet dort Kürzungen, wo sie eigentlich investieren wollte. So sinken die Ausgaben für öffentliche Gesundheitsversorgung 2016 um zwei Prozent, für Bildung um ein Prozent, und die Sozialprogramme werden um 0,6 Prozent gestutzt.

Roussef steht deswegen enorm unter Druck. Aufgrund der Rezession muss sie nicht nur unbeliebte Sparmaßnahmen ergreifen, sie kämpft auch mit sinkenden Steuereinnahmen und Investitionen. Schätzungen zufolge soll das Bruttoinlandsprodukt der siebtgrößten Volkswirtschaft der Welt im laufenden Jahr um rund 1,8 Prozent schrumpfen.

"Im Moment sieht es düster aus", meint Felix Dane. "Es gibt in Brasilien nicht nur eine Wirtschaftskrise, sondern auch eine Vertrauenskrise". Nach Ansicht des KAS-Mitarbeiters steht allerdings nicht nur die "PT am Pranger, sondern das gesamte politische Establishment".

Umso mehr richten sich alle Augen auf den vermeintlichen Heilsbringer. "Macht er es noch einmal? Wird er 2018 zum sechsten Mal antreten? Die Antwort, die Lula in Minas Gerais gab, ist ein brasilianisches Ja: "Ich hoffe aufrichtig, dass es andere Kandidaten gibt." Diese Hoffnung wird sich wohl nicht erfüllen.