Löwenbändiger Sam Mendes
1. September 2016Wer kann schon von sich behaupten, für sein Kinodebüt gleich den Oscar für den "Besten Film" bekommen zu haben? Sam Mendes darf das. Als der 1965 in Reading geborene Brite im Jahr 2000 den Oscar in den Händen halten durfte für "American Beauty", konnte er es kaum glauben. Er sei einfach überwältigt, rief er damals voller Enthusiasmus von der Bühne des "Shrine Civic Auditoriums". Mendes war gerade einmal 34 Jahre alt.
Sam Mendes: Wunderkind des Theaters
Doch galt der Regisseur schon damals als "Wunderkind", freilich eines des britischen Theaters. Dieses Wunderkind hat Biennale-Präsident Alberto Barbera nun nach Venedig geladen. Mendes steht dort der Jury des ältesten Filmfestivals der Welt vor, die am 10. September über den Goldenen und die Silbernen Löwen zu entscheiden hat. Mendes sei sein Wunschkandidat gewesen, verkündete Barbera bei der Pressekonferenz des Festivals im April. Denn die Filme des Engländers würden den Ansprüchen der Kritiker entsprechen und zugleich breite Publikumsschichten erreichen, so Barbera.
Der Sohn eines Schriftsteller-Ehepaares inszeniert bereits mit Anfang 20 Bühnenstücke in London, mit 27 leitet er ein eigenes Theater. Arbeiten für die "Royal Shakespeare Company" sowie das "Royal National Theatre" gehören zu seiner noch jungen, aber bemerkenswerten Biografie. Ein Musical-Stoff ist es dann, der ihn mit dem anderen Medium bekannt macht. 1993 entsteht die Verfilmung von "Cabaret" für das britische Fernsehen. Nach einem weiteren TV-Film ist es dann niemand geringeres als Steven Spielberg, der auf das britische Talent aufmerksam wird und ihn nach Hollywood lockt.
Sensationelles Kinodebüt mit Kevin Spacey
Fürs Spielbergs Produktionsfirma drehte Mendes 1999 "American Beauty", einen filmischen Geniestreich, der nordamerikanische Vorstadtidylle und Prüderie aufs Korn nimmt und Hauptdarsteller Kevin Spacey zu einem international gefragten Kinostar macht. "American Beauty" erringt fünf Oscars, Sam Mendes ist der neue Stern am Himmel Hollywoods. Ihm stehen nun alle Möglichkeiten offen.
Drei Jahre später kommt sein zweiter Film in die Kinos, das düstere Gangsterdrama "Road to Perdition", das in den 1930er Jahren in einer Kleinstadt in Illinois spielt. Auch dieser Film mit Tom Hanks und Paul Newman (in seiner letzten Kino-Rolle) ist glänzend besetzt. Doch anders als bei "American Beauty" überschlagen sich die Kritiker nicht mit ihren Urteilen. "Road to Perdition" bekommt immerhin sechs Oscar-Nominierungen zugesprochen und erringt die Auszeichnung in der Kategorie "Beste Kamera" (Conrad L. Hall).
Beklemmender Kriegsfilm "Jarhead"
Wiederum drei Jahre später dreht Sam Mendes den beklemmenden Kriegsfilm "Jarhead - Willkommen im Dreck", einen desillusionierenden Reigen über die Befindlichkeiten eines US-Soldaten während der Golfkriege.
2008 dann folgt der nächste filmische Paukenschlag: Das fulminante Beziehungsdrama "Zeiten des Aufruhrs" mit dem großartigen Duo Kate Winslet/Leonardo DiCaprio. Es überzeugt die Kritiker und auch das Publikum findet Gefallen an dem intensiven Geschlechterkampf auf der Leinwand.
Sam Mendes bringt das Projekt privat aber offenbar kein Glück. Im Jahr nach der Premiere des Films trennt sich der Regisseur von Kate Winslet, mit der er seit 2003 verheiratet war.
Erfolgreich als Bond-Regisseur
Nun beginnt ein neues Kapitel im Leben des Briten. Nach einer weniger beachteten Komödie ("Away We Go - Auf nach Irgendwo") wird bekannt, dass Sam Mendes der nächste James-Bond-Regisseur sein wird. Mendes meistert auch den Umgang mit dem Riesenbudget einer Bond-Produktion. Sowohl "Skyfall" (2012) als auch "Spectre" (2015) spielen ihre Produktionsbudgets um ein Vielfaches wieder ein. Die beiden Actionfilme um den Superagenten erhalten darüber hinaus gute Kritiken. Mendes verleiht der altgedienten Filmfigur James Bond wieder Schliff und Tiefe.
Trotzdem verzichtet Mendes auf eine Fortsetzung seiner Karriere als Bond-Regisseur. Die Produzenten der britisch-amerikanischen Erfolgsserie hätten ihn gern weiterverpflichtet. Doch Mendes will im Alter von 50 Jahren offenbar noch einmal etwas anderes machen. Sein nächstes Projekt steht fest: Mit Steven Spielberg als Produzent will der Brite "The Voyeur's Motel" inszenieren, die Geschichte eines voyeuristischen Hotelbetreibers.
Sam Mendes in neuer Rolle: Juryvorsitzender in Venedig
Nun setzt sich der Brite aber erst einmal zehn Tage mit seinen Kollegen aus der Filmbranche zusammen - und guckt Filme. Als Vorsitzender der Jury in Venedig muss er 20 Wettbewerbsbeiträge sichten, von prominenten Regisseuren wie Wim Wenders und Emir Kusturica, Tom Ford oder François Ozon. Am 10. September wird Sam Mendes dann im Festivalpalais von Venedig auf die Bühne treten und verkünden, wer den Goldenen und die Silbernen Löwen gewinnt.