Mehr Nachhaltigkeit durch "Sharing Economy"?
19. September 2015Ein Privatzimmer über Airbnb, anstelle eines Hotels, Carsharing, statt eigenem Auto, den Pullover von der Kleidertauschbörse, statt aus dem Kaufhaus, die Bohrmaschine vom Nachbarn, statt aus dem Baumarkt: Die Sharing Economy setzt auf Teilen statt Besitzen - auf gebraucht statt neu. Kommerzielle Anbieter bewerben ihre Dienste gern mit dem Argument, Ressourcen zu schonen und einen wichtigen Beitrag zum Umweltschutz zu leisten.
Dadurch, dass sie sich gegen ein Hotel- und für ein Privatzimmer entschieden haben, hätten Airbnb-Gäste im Jahr 2013 in Europa Wasser für das Befüllen von 1100 Schwimmbecken eingespart, und so viel CO2, wie 200.000 Autos im gleichen Zeitraum produzierten, heißt es in einer von dem Unternehmen selbst in Auftrag gegebenen Studie.
Tatsächlich hat die Sharing Economy großes Potenzial, einen wichtigen Beitrag zum Umweltschutz zu leisten: Unter idealen Bedingungen könnte sie dafür sorgen, dass Haushalte ein Fünftel weniger Müll produzieren, heißt es in einer Studie des französischen "Institut de développement durable et des relations internationales" (IDDRI).
"Die ideale Hoffnung, die man mit dem Teilen verbinden kann, ist: Es werden weniger, aber dafür hochwertigere Produkte produziert, die länger halten und stärker genutzt werden können, damit sie nicht sofort im Müll landen", sagt Katharina Istel, Referentin für nachhaltigen Konsum beim Naturschutzbund Deutschland (NABU).
Führt die Sharing Economy zu mehr Konsum?
Aber ideal sind die Bedingungen selten. Der tatsächliche Einfluss der Sharing Economy lässt sich schwer messen - zu komplex sind die Einflussfaktoren: Mehr als eine Million Menschen hätten in Deutschland im Jahr 2014 Carsharing genutzt, heißt es vom entsprechenden Bundesverband. Aber haben diese Menschen deshalb auf die Anschaffung eines eigenen Autos verzichtet? Oder sind sie möglicherweise vorher mit der Bahn oder mit dem Fahrrad gefahren und erst durch das Carsharing zum Autofahrer geworden? Letztes würde bedeuten, dass sich ihre Klimabilanz durch Carsharing nicht verbessert, sondern verschlechtert hat.
"Grundsätzlich kann man erst einmal nur sagen, dass es ein ökologisches Potenzial gibt", so Istel. "Aber ob das wirklich ausgeschöpft wird, weiß man nicht, weil es dazu kaum Zahlen und kaum Untersuchungen gibt."
In einer der wenigen Studien hat die US-Soziologin Juliet Schor herausgefunden, dass etwa Nutzer von Airbnb aufgrund der günstigen Zimmerpreise häufiger in den Urlaub fliegen. Insgesamt steigt die Zahl der Übernachtungen deshalb - der ökologische Nutzen nimmt ab.
Dieses Phänomen wird als Rebound-Effekt bezeichnet: "Die Frage ist: Für was geben Leute das ersparte Geld aus? Wenn das Aktivitäten sind, die einen größeren ökologischen Fußabdruck haben, ist natürlich nicht viel gewonnen", fasst Gerd Scholl zusammen. Er arbeitet am Institut für ökologische Wirtschaftsforschung an einer Studie zur Frage der Nachhaltigkeit von Sharing Economy. Noch ist das Projekt in der Anfangsphase, mit Ergebnissen rechnet er erst in 2017. Eine Tendenz zeige sich trotzdem schon: "Die Potenziale der Sharing Economy überwiegen die möglichen ökologischen Nachteile." Frühere Studien hätten beispielsweise gezeigt, dass der Rebound-Effekt beim Energieverbrauch nur etwa 20 bis 30 Prozent betrage.
Nachhaltigkeit vs. Wirtschaftswachstum
Bislang ist der ökologische Nutzen auch deshalb schwer messbar, weil die Sharing Economy ein Nischenphänomen ist. NABU-Referentin Katharina Istel ist trotz aller Hoffnung skeptisch, dass sich das ändern wird: "Man wird jeden Tag damit bombardiert, dass es wichtig für unsere Wirtschaft ist, viel zu konsumieren. Das passt mit dem Wunsch, weniger zu produzieren, einfach nicht zusammen."
Aber was wäre die Alternative? Energieeffizientere Produkte herstellen? Hier sei kaum noch etwas zu optimieren, glaubt Forscher Scholl. "Insofern ist Sharing, auch wenn es im Moment noch klein ist, etwas, was für den nachhaltigen Konsum einen erheblichen Beitrag leisten kann."